Bundesrecht - tagaktuell konsolidiert - alle Fassungen seit 2006
Vorschriftensuche
 

Kapitel 5 - Kulturgutschutzgesetz (KGSG)


Kapitel 5 Rückgabe unrechtmäßig eingeführten Kulturgutes

Abschnitt 1 Rückgabeanspruch

§ 49 Öffentlich-rechtliche Rückgabeansprüche



(1) 1Ansprüche auf Rückgabe von Kulturgut nach diesem Abschnitt sind öffentlich-rechtliche Ansprüche. 2Zivilrechtliche Ansprüche bleiben davon unberührt.

(2) Rückgabeschuldner ist der unmittelbare Eigenbesitzer, hilfsweise der unmittelbare Fremdbesitzer.


§ 50 Rückgabeanspruch eines Mitgliedstaates



Auf Ersuchen eines Mitgliedstaates ist Kulturgut zurückzugeben, wenn es

1.
nach dem 31. Dezember 1992 aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates unter Verstoß gegen dortige Rechtsvorschriften verbracht worden ist und

2.
vor oder nach der Verbringung von dem ersuchenden Mitgliedstaat durch nationale Rechtsvorschriften oder durch Verwaltungsverfahren als nationales Kulturgut von künstlerischem, geschichtlichem oder archäologischem Wert im Sinne des Artikels 36 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union eingestuft oder definiert worden ist.


§ 51 Rückgabeanspruch wegen Verstoßes gegen das Recht der Europäischen Union



Ist Kulturgut entgegen einem im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlichten, unmittelbar geltenden Rechtsakt der Europäischen Union unrechtmäßig eingeführt worden, so ist es an den betreffenden Staat zurückzugeben.


§ 52 Rückgabeanspruch eines Vertragsstaates



(1) Auf Ersuchen eines Vertragsstaates ist Kulturgut zurückzugeben, wenn es

1.
einer der in Artikel 1 des UNESCO-Übereinkommens genannten Kategorien angehört,

2.
aus dessen Hoheitsgebiet nach dem 26. April 2007 unter Verstoß gegen dortige Rechtsvorschriften verbracht worden ist,

3.
vor der Ausfuhr von dem ersuchenden Vertragsstaat als bedeutsam nach Artikel 1 des UNESCO-Übereinkommens oder im Sinne des Artikels 13 Buchstabe d des UNESCO-Übereinkommens als unveräußerlich eingestuft oder erklärt worden ist und

4.
hinsichtlich seiner Herkunft dem ersuchenden Vertragsstaat zuzuordnen ist, insbesondere wenn es zum Bestand einer Einrichtung im Vertragsstaat gehört oder eine Einigung nach § 60 vorliegt.

(2) 1Lässt sich nicht klären, ob das Kulturgut nach dem 26. April 2007 verbracht worden ist, so wird widerleglich vermutet, dass das Kulturgut nach diesem Tag aus dem Hoheitsgebiet des Vertragsstaates verbracht worden ist. 2Diese Vermutung kann nur durch den Nachweis widerlegt werden, dass sich das Kulturgut schon vor diesem Tag im Bundesgebiet, im Binnenmarkt oder in einem Drittstaat befunden hat. 3Die Abgabe einer Versicherung an Eides statt ist zur Erbringung des Nachweises nach Satz 2 zulässig gemäß § 27 Absatz 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes sowie gemäß der Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder. 4Für die Abnahme zuständig sind im Rahmen des behördlichen Vermittlungsverfahrens die in § 61 Absatz 1 Nummer 7 und § 62 Absatz 2 genannten Behörden.

(3) Wird der Nachweis erbracht, dass sich das Kulturgut vor dem 6. August 2016 im Bundesgebiet oder im Binnenmarkt befunden hat, so sind abweichend von Absatz 1 für den Rückgabeanspruch des Vertragsstaates § 6 Absatz 2 und für die Entschädigung § 10 des Kulturgüterrückgabegesetzes vom 18. Mai 2007 (BGBl. I S. 757, 2547) in der bis zum 5. August 2016 geltenden Fassung anzuwenden.


§ 53 Rückgabeanspruch nach der Haager Konvention



(1) Kulturgut nach Kapitel I Artikel 1 der Haager Konvention, das entgegen § 28 Nummer 3 aufgrund eines bewaffneten Konflikts eingeführt worden ist, ist nach Beendigung des bewaffneten Konflikts an die jeweils zuständige Behörde des Herkunftsgebiets nach Abschnitt I Nummer 3 des Protokolls zur Haager Konvention zurückzugeben, wenn

1.
es nach dem 11. November 1967 verbracht worden ist und

2.
die jeweils zuständige Behörde des Herkunftsgebiets um Rückgabe ersucht.

(2) Kulturgut, das im Sinne von Abschnitt II Nummer 5 des Protokolls zur Haager Konvention deponiert worden ist, ist nach Beendigung des bewaffneten Konflikts zurückzugeben, ohne dass die Voraussetzungen des Absatzes 1 Nummer 1 und 2 erfüllt sein müssen.


§ 54 Anzuwendendes Zivilrecht



(1) Wer Eigentümer des Kulturgutes ist, das nach den Bestimmungen dieses Gesetzes in das Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates oder Vertragsstaates zurückgegeben worden ist, bestimmt sich nach den Sachvorschriften dieses Mitgliedstaates oder Vertragsstaates.

(2) Rechte, die aufgrund rechtsgeschäftlicher Verfügung oder durch Zwangsvollstreckung oder Arrestvollziehung erworben worden sind, stehen der Rückgabepflicht nicht entgegen.


§ 55 Befristung und Verjährung des Rückgabeanspruchs



(1) 1Rückgabeansprüche unterliegen nicht der Verjährung, wenn sie auf die Rückgabe von Kulturgut gerichtet sind, das

1.
zu öffentlichen Sammlungen nach Artikel 2 Nummer 8 der Richtlinie 2014/60/EU gehört oder

2.
in einem Bestandsverzeichnis kirchlicher oder anderer religiöser Einrichtungen in den Mitgliedstaaten aufgeführt ist, in denen es nach den in diesem Mitgliedstaat geltenden Rechtsvorschriften besonderen Schutzregelungen unterliegt.

2Die Ansprüche nach Satz 1 erlöschen 75 Jahre nach ihrem Entstehen. 3Ein Anspruch erlischt nicht nach Satz 2, wenn der ersuchende Mitgliedstaat in seinem Recht bestimmt, dass solche Rückgabeansprüche nicht erlöschen.

(2) Rückgabeansprüche verjähren außer in den Fällen des Absatzes 1 ohne Rücksicht auf die Kenntnis in 30 Jahren ab dem Zeitpunkt der unrechtmäßigen Verbringung des Kulturgutes aus dem Hoheitsgebiet des ersuchenden Mitgliedstaates oder Vertragsstaates.

(3) Alle anderen Ansprüche auf Rückgabe von Kulturgut nach diesem Abschnitt verjähren nach drei Jahren.


§ 56 Beginn der Verjährung



Die Verjährungsfrist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der ersuchende Mitgliedstaat oder Vertragsstaat von dem Ort der Belegenheit des Kulturgutes und von der Identität des Rückgabeschuldners Kenntnis erlangt.


§ 57 Hemmung und Neubeginn der Verjährung und Erlöschensfristen



(1) Auf die Verjährung und auf die Frist nach § 55 Absatz 1 Satz 2 sind die Vorschriften über die Hemmung der Verjährung nach den §§ 204, 206 und 209 des Bürgerlichen Gesetzbuches und über den Neubeginn der Verjährung nach § 212 des Bürgerlichen Gesetzbuches entsprechend anzuwenden.

(2) Die Verjährung und die Frist nach § 55 Absatz 1 Satz 2 sind wegen höherer Gewalt insbesondere auch gehemmt, solange der ersuchende Mitgliedstaat oder Vertragsstaat durch innere Unruhen, bewaffnete Konflikte oder vergleichbare Umstände gehindert ist, seine Ansprüche geltend zu machen.


Abschnitt 2 Rückgabeverfahren

§ 58 Grundsatz der Rückgabe



Die Rückgabe kann durch eine gütliche Einigung im behördlichen Vermittlungsverfahren erreicht werden oder mit einer Klage auf Rückgabe des ersuchenden Staates verfolgt werden.


§ 59 Rückgabeersuchen



Das Rückgabeersuchen ist zu stellen für

1.
den Rückgabeanspruch eines Mitgliedstaates nach § 50 bei der für Kultur und Medien zuständigen obersten Bundesbehörde oder

2.
Ansprüche nach den §§ 51 bis 53 auf diplomatischem Weg beim Auswärtigen Amt.


§ 60 Kollidierende Rückgabeersuchen



Stellen zu demselben Kulturgut mehrere Mitgliedstaaten oder Vertragsstaaten Rückgabeersuchen und lässt sich nicht klären, welchem Mitgliedstaat oder Vertragsstaat das Kulturgut zuzuordnen ist, so ist es erst zurückzugeben, wenn die Einigung der betroffenen Mitgliedstaaten oder Vertragsstaaten schriftlich festgehalten und der für Kultur und Medien zuständigen obersten Bundesbehörde sowie dem Auswärtigen Amt mitgeteilt worden ist.


§ 61 Aufgaben der Länder



(1) Die zuständige Behörde eines Landes hat insbesondere folgende Aufgaben:

1.
Nachforschungen nach Kulturgut, bei dem der Verdacht besteht, dass es unrechtmäßig verbracht worden ist oder unrechtmäßig in Verkehr gebracht worden ist,

2.
Nachforschungen nach dem Eigentümer oder dem unmittelbaren Besitzer des betreffenden Kulturgutes,

3.
Unterstützung der Nachforschungen des ersuchenden Mitgliedstaates oder Vertragsstaates, insbesondere nach dem Eigentümer oder dem unmittelbaren Besitzer des betreffenden Kulturgutes,

4.
Durchführung oder Veranlassung von Maßnahmen zur Erhaltung des sichergestellten Kulturgutes,

5.
Durchführung von Maßnahmen, die verhindern, dass das Kulturgut der Rückgabe entzogen wird,

6.
Durchführung des behördlichen Vermittlungsverfahrens zwischen dem ersuchenden Mitgliedstaat und dem Rückgabeschuldner und

7.
Unterstützung des Bundes bei der Rückgabe von Kulturgut.

(2) 1Zur Unterstützung nach Absatz 1 Nummer 3 ist die zuständige Behörde nur verpflichtet, wenn ein Mitgliedstaat innerhalb von sechs Monaten nach Unterrichtung nach § 62 Absatz 1 Nummer 1 der zuständigen Behörde mitteilt, dass es sich um ein Kulturgut im Sinne des Artikels 2 Nummer 1 der Richtlinie 2014/60/EU handelt. 2Lässt ein Mitgliedstaat diese Frist ohne diese Mitteilung verstreichen, so ist die zuständige Behörde nicht mehr verpflichtet, Maßnahmen nach Absatz 1 Nummer 4 und 5 zu ergreifen.


§ 62 Aufgaben der obersten Bundesbehörden



(1) Die für Kultur und Medien zuständige oberste Bundesbehörde hat folgende Aufgaben:

1.
Unterrichtung des betroffenen Mitgliedstaates über das Auffinden und die Sicherstellung von Kulturgut, bei dem der Verdacht besteht, dass es unrechtmäßig eingeführt worden ist,

2.
Unterstützung des behördlichen Vermittlungsverfahrens zwischen dem ersuchenden Mitgliedstaat und dem Rückgabeschuldner und

3.
Mitteilung an die zentralen Stellen der anderen Mitgliedstaaten, wenn der ersuchende Mitgliedstaat Klage auf Rückgabe erhoben hat.

(2) Das Auswärtige Amt hat in Zusammenarbeit mit der für Kultur und Medien zuständigen obersten Bundesbehörde folgende Aufgaben:

1.
Unterrichtung des betroffenen Vertragsstaates über das Auffinden und die Sicherstellung von Kulturgut, bei dem Verdacht besteht, dass es unrechtmäßig eingeführt worden ist, und

2.
Durchführung des behördlichen Vermittlungsverfahrens zwischen dem ersuchenden Vertragsstaat und dem Rückgabeschuldner.


§ 63 Zulässigkeit der Klage auf Rückgabe



(1) Die Klage eines ersuchenden Mitgliedstaates oder Vertragsstaates auf Rückgabe ist nur dann zulässig, wenn der Klageschrift folgende Unterlagen beigefügt sind:

1.
eine geeignete Beschreibung des Kulturgutes mit Angaben über

a)
die Identität und Herkunft,

b)
den tatsächlichen oder mutmaßlichen Zeitpunkt der Verbringung und

c)
den tatsächlichen oder mutmaßlichen Ort der Belegenheit im Bundesgebiet,

2.
eine Erklärung, dass es sich um ein nach nationalen Rechtsvorschriften oder Verwaltungsverfahren des ersuchenden Mitgliedstaates oder Vertragsstaates nationales Kulturgut handelt, und

3.
eine Erklärung des ersuchenden Mitgliedstaates oder Vertragsstaates, dass das Kulturgut unrechtmäßig aus seinem Hoheitsgebiet ausgeführt worden ist.

(2) Die Klage auf Rückgabe ist unzulässig, wenn das Verbringen des Kulturgutes aus dem Hoheitsgebiet des ersuchenden Mitgliedstaates oder Vertragsstaates zu dem Zeitpunkt, zu dem die Klage erhoben wird, nicht mehr unrechtmäßig ist.


§ 64 Kosten der behördlichen Sicherstellung



Hat die zuständige Behörde das Kulturgut, über dessen Rückgabe das Gericht zu entscheiden hat, nach § 33 sichergestellt, so ist in der gerichtlichen Entscheidung über die Rückgabe auch über die Kosten zu entscheiden, die der zuständigen Behörde durch die Sicherstellung entstanden sind.


§ 65 Kosten der Rückgabe und Erhaltungsmaßnahmen



(1) Die Kosten, die sich aufgrund der Rückgabe ergeben, gehen zu Lasten des ersuchenden Mitgliedstaates oder Vertragsstaates.

(2) 1Die Kosten, die durch Durchführung oder Veranlassung von notwendigen Maßnahmen zur Erhaltung des sichergestellten Kulturgutes entstehen, gehen zu Lasten des ersuchenden Mitgliedstaates oder Vertragsstaates. 2§ 64 ist entsprechend anzuwenden.


Abschnitt 3 Entschädigung und Erstattungsanspruch

§ 66 Entschädigung bei Rückgabe



(1) Ist der unmittelbare Eigenbesitzer beim Erwerb des Kulturgutes mit der erforderlichen Sorgfalt vorgegangen, so kann er die Rückgabe des Kulturgutes verweigern, bis der ersuchende Mitgliedstaat oder Vertragsstaat eine angemessene Entschädigung geleistet hat.

(2) 1Bei einer unentgeltlichen Rechtsnachfolge muss die erforderliche Sorgfalt beim Erwerb sowohl vom Rechtsvorgänger als auch vom Rechtsnachfolger beachtet worden sein. 2Beim Erwerb durch Erbschaft muss der Erbe oder Vermächtnisnehmer die mangelnde Sorgfalt des Erblassers gegen sich gelten lassen.

(3) Bei der Entscheidung, ob der unmittelbare Eigenbesitzer mit der erforderlichen Sorgfalt vorgegangen ist, werden alle Umstände beim Erwerb des Kulturgutes berücksichtigt, insbesondere

1.
die Unterlagen über die Herkunft des Kulturgutes,

2.
die nach dem Recht des ersuchenden Mitgliedstaates oder Vertragsstaates erforderliche Ausfuhrgenehmigung,

3.
die jeweiligen Eigenschaften der beim Erwerb des Kulturgutes Beteiligten,

4.
der Kaufpreis,

5.
die Einsichtnahme des unmittelbaren Eigenbesitzers in die zugänglichen Verzeichnisse entwendeten Kulturgutes und das Einholen einschlägiger Informationen, die er mit zumutbarem Aufwand erhalten konnte, und

6.
jeder andere Schritt, den eine vernünftige Person unter denselben Umständen unternommen hätte.

(4) § 52 Absatz 3 bleibt unberührt.


§ 67 Höhe der Entschädigung



(1) 1Die Höhe der Entschädigung bestimmt sich unter Berücksichtigung der entstandenen Aufwendungen des Rückgabeschuldners für

1.
den Erwerb des Kulturgutes und

2.
die notwendigen Maßnahmen zur Erhaltung des Kulturgutes.

2Die Entschädigung darf die Aufwendungen nicht übersteigen. 3Für entgangenen Gewinn ist keine Entschädigung zu zahlen.

(2) Bleibt das Kulturgut auch nach der Rückgabe Eigentum des Rückgabeschuldners, so hat der ersuchende Mitgliedstaat oder Vertragsstaat dem Rückgabeschuldner abweichend von Absatz 1 nur die Aufwendungen zu erstatten, die dem Rückgabeschuldner daraus entstanden sind, dass er darauf vertraut hat, das Kulturgut im Bundesgebiet belassen zu dürfen.


§ 68 Erstattungsanspruch des ersuchenden Mitglied- oder Vertragsstaates



(1) 1Der ersuchende Mitgliedstaat oder Vertragsstaat kann von den Personen, die Kulturgut unrechtmäßig verbracht haben oder die die unrechtmäßige Verbringung von Kulturgut veranlasst haben, Erstattung der aus dem Rückgabeverfahren entstandenen Kosten fordern. 2§ 840 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches ist entsprechend anzuwenden.

(2) Der Anspruch nach Absatz 1 ist vor den ordentlichen Gerichten geltend zu machen.