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Kapitel 4 - Vierzehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XIV)

Artikel 1 G. v. 12.12.2019 BGBl. I S. 2652 (Nr. 50); zuletzt geändert durch Artikel 11 G. v. 22.12.2023 BGBl. 2023 I Nr. 408
Geltung ab 01.01.2024, abweichend siehe Artikel 60; FNA: 860-14 Sozialgesetzbuch
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Kapitel 4 Schnelle Hilfen

Abschnitt 1 Leistungen der Schnellen Hilfen

§ 29 Leistungen und Leistungsart



(1) Die Leistungen der Schnellen Hilfen umfassen Leistungen des Fallmanagements und Leistungen in einer Traumaambulanz.

(2) Die Leistungen der Schnellen Hilfen stellen eine Leistung eigener Art dar.


Abschnitt 2 Fallmanagement

§ 30 Leistungen des Fallmanagements



(1) Beim Fallmanagement werden die Berechtigten von einer Fallmanagerin oder einem Fallmanager aktivierend und koordinierend durch das Antragsverfahren und Leistungsverfahren begleitet.

(2) 1Leistungen des Fallmanagements werden mit Einwilligung der Berechtigten erbracht, die auch die erforderlichen Datenerhebungen erfasst. 2Die Einwilligung ist schriftlich zu dokumentieren.

(3) Berechtigte können ein Fallmanagement erhalten.

(4) Geschädigte sollen ein Fallmanagement erhalten, wenn

1.
das schädigende Ereignis eine Straftat gegen das Leben oder gegen die sexuelle Selbstbestimmung war oder

2.
sie bei Eintritt des schädigenden Ereignisses minderjährig waren.

(5) Das Fallmanagement umfasst insbesondere:

1.
die Ermittlung des möglichen Hilfebedarfs, der durch das schädigende Ereignis unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls entstanden ist,

2.
den Hinweis auf die in Betracht kommenden Sozialleistungen,

3.
die Begleitung der Berechtigten mit dem Ziel des Erhalts zügiger und aufeinander abgestimmter Leistungen, soweit Berechtigte Ansprüche gegen andere Träger von Sozialleistungen nach den Kapiteln 5, 6, 7 und 11 haben oder haben könnten,

4.
die Unterstützung bei der Antragstellung, die Aufklärung über die Einleitung und den Ablauf des Verfahrens in der Sozialen Entschädigung sowie

5.
die Begleitung des Verfahrens in der Sozialen Entschädigung.

(6) Das Fallmanagement kann die Kontaktaufnahme mit möglicherweise berechtigten Personen umfassen.

(7) Soweit eine Bedarfsermittlung und ein Teilhabeplanverfahren nach den Kapiteln 2 bis 4 des Neunten Buches durchzuführen sind, werden Leistungen des Fallmanagements ergänzend erbracht.


Abschnitt 3 Traumaambulanz

§ 31 Leistungen in einer Traumaambulanz



(1) In einer Traumaambulanz wird psychotherapeutische Intervention erbracht, um den Eintritt einer psychischen Gesundheitsstörung oder deren Chronifizierung zu verhindern.

(2) Psychotherapeutische Intervention wird nur in Traumaambulanzen erbracht, mit denen die Träger der Sozialen Entschädigung eine Vereinbarung nach § 37 geschlossen haben.


§ 32 Psychotherapeutische Frühintervention



(1) Geschädigte sollen psychotherapeutische Frühintervention in einer Traumaambulanz erhalten, wenn die erste Sitzung innerhalb von zwölf Monaten nach dem schädigenden Ereignis oder nach Kenntnisnahme hiervon erfolgt.

(2) Angehörige, Hinterbliebene und Nahestehende sollen psychotherapeutische Frühintervention in einer Traumaambulanz erhalten, wenn die erste Sitzung innerhalb von zwölf Monaten erfolgt, nachdem sie von dem schädigenden Ereignis Kenntnis erlangt haben.


§ 33 Psychotherapeutische Intervention in anderen Fällen



Geschädigte sowie Angehörige, Hinterbliebene und Nahestehende sollen psychotherapeutische Intervention in einer Traumaambulanz erhalten, wenn ein mehr als zwölf Monate zurückliegendes schädigendes Ereignis zu einer akuten psychischen Belastung geführt hat und die erste Sitzung innerhalb von zwölf Monaten nach Auftreten der akuten Belastung erfolgt.


§ 34 Leistungsvoraussetzungen und Leistungsumfang



(1) 1Geschädigte sowie Angehörige, Hinterbliebene und Nahestehende haben Anspruch auf insgesamt bis zu 15 Sitzungen in der Traumaambulanz nach Maßgabe der folgenden Absätze, sofern die Voraussetzungen nach § 32 oder § 33 vorliegen. 2Bei Kindern und Jugendlichen beträgt der Höchstanspruch 18 Sitzungen.

(2) 1Die ersten fünf beziehungsweise bei Kindern und Jugendlichen die ersten acht Sitzungen dienen insbesondere der Abklärung der psychotherapeutischen Behandlungsbedürftigkeit, der Durchführung der Diagnostik und der erforderlichen Akutmaßnahmen. 2Sie können in Anspruch genommen werden, auch wenn noch keine Entscheidung im Erleichterten Verfahren nach § 115 ergangen ist.

(3) 1Geschädigte sowie Angehörige, Hinterbliebene und Nahestehende haben Anspruch auf bis zu zehn weitere Sitzungen, wenn diese erforderlich sind und ein Anspruch auf Leistungen der Traumaambulanz festgestellt wurde. 2Der Anspruch auf bis zu zehn weitere Sitzungen besteht auch dann, wenn die zuständige Behörde zwei Wochen nach Vorliegen des Antrags keine Entscheidung getroffen hat und die Traumaambulanz die dringende Behandlungsbedürftigkeit sowie die geplante Durchführung der weiteren Sitzungen vorab angezeigt hat.


§ 35 Weiterer Bedarf nach Betreuung in der Traumaambulanz



(1) Besteht bei Personen, die die Betreuung in der Traumaambulanz in Anspruch nehmen, auch nach dieser Betreuung weiterer psychotherapeutischer Behandlungsbedarf, so verweist der Träger der Sozialen Entschädigung sie auf weitere psychotherapeutische Angebote.

(2) 1Die Traumaambulanz ist verpflichtet, der zuständigen Behörde den weiteren Bedarf so frühzeitig wie möglich mitzuteilen. 2Die nach Landesrecht zuständigen Behörden legen in den nach § 37 zu schließenden Vereinbarungen die Konsequenzen eines Verstoßes gegen die Informationspflicht aus Satz 1 fest.




§ 36 Fahrkosten



(1) 1Übernommen werden die erforderlichen Fahrkosten zur nächstgelegenen Traumaambulanz. 2Gleiches gilt für die erforderlichen Fahrkosten einer notwendigen Begleitperson sowie für Kinder, deren Mitnahme erforderlich ist, weil ihre Betreuung nicht sichergestellt ist. 3Übernommen werden auch die notwendigen Betreuungskosten für zu pflegende oder zu betreuende Familienangehörige sowohl für die Berechtigten als auch für die notwendigen Begleitpersonen für Kinder und Jugendliche.

(2) 1Die Fahrkosten werden in Höhe des Betrages zu Grunde gelegt, der bei der Beförderung in der niedrigsten Klasse des zweckmäßigsten öffentlichen Verkehrsmittels zu zahlen ist. 2Bei der Beförderung in einem anderen Verkehrsmittel wird ein Betrag in Höhe der Wegstreckenentschädigung nach § 5 Absatz 1 Satz 2 des Bundesreisekostengesetzes zu Grunde gelegt.


§ 37 Vereinbarungen mit Traumaambulanzen



(1) 1Die nach Landesrecht zuständigen Behörden schließen Vereinbarungen mit Traumaambulanzen, die die Voraussetzungen nach diesem Abschnitt erfüllen. 2Am 1. Januar 2021 bestehende Vereinbarungen bleiben hiervon für die Dauer ihrer Laufzeit unberührt.

(2) 1Die Vereinbarung muss die wesentlichen Anforderungen an die Traumaambulanz sowie die wesentlichen Leistungsmerkmale festlegen. 2In der Vereinbarung muss sich die Traumaambulanz verpflichten, nach § 32 und § 33 berechtigte Personen im Rahmen des vereinbarten Leistungsangebotes psychotherapeutisch zu betreuen. 3Darüber hinaus enthält die Vereinbarung als Mindestinhalt Regelungen über

1.
den psychotherapeutisch zu betreuenden Personenkreis,

2.
Art und Ziel der Leistung,

3.
die Anforderungen an die personelle Ausstattung und an die Qualifikation des Personals,

4.
die im Zusammenhang mit der Leistungserbringung bestehenden Pflichten der Traumaambulanz,

5.
den Datenschutz sowie

6.
die Vergütung der von der Traumaambulanz erbrachten Leistungen.


§ 38 Verordnungsermächtigung



1Das Nähere zu den Vereinbarungen nach § 37 regelt eine vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales mit Zustimmung des Bundesrates zu erlassende Rechtsverordnung, die zum 1. Januar 2024 in Kraft tritt. 2Mindestinhalt der Verordnung sind Bestimmungen

1.
zur Qualifikation des Personals der Traumaambulanz, das die Sitzungen durchführt,

2.
zur Dauer der einzelnen Sitzung,

3.
zur Erreichbarkeit der Traumaambulanz und zum Zeitraum, in welchem die Betroffenen einen Termin dort erhalten müssen, unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten,

4.
zu den Dokumentationspflichten,

5.
zum Abrechnungsverfahren einschließlich der sich daraus ergebenden Datenübermittlungswege,

6.
zur Schweigepflichtentbindung und

7.
zur Vertraulichkeit.


Abschnitt 4 Kooperationsvereinbarungen

§ 39 Kooperationsvereinbarungen für Beratungs- und Begleitangebote



1Die Träger der Sozialen Entschädigung können Kooperationsvereinbarungen mit Organisationen schließen, die eine umfassende qualitätsgesicherte Beratung und Begleitung der Berechtigten sicherstellen. 2Dabei berücksichtigen sie Angebote, die sich an Angehörige besonders schutzbedürftiger Personengruppen richten. 3Sie können diesen Organisationen Sach- und Geldmittel zur Verfügung stellen.


§ 40 Verordnungsermächtigung



1Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung, die der Zustimmung des Bundesrates bedarf, die qualitativen Anforderungen an Kooperationsvereinbarungen zu regeln. 2Mindestinhalte der Verordnung sind:

1.
die Anforderungen an die Qualifikation der Organisationen, mit denen Kooperationsvereinbarungen geschlossen werden können, sowie

2.
die Anforderungen an die Qualifikation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Organisation nach Nummer 1.