Bundesrecht - tagaktuell konsolidiert - alle Fassungen seit 2006
Vorschriftensuche
 

Unterabschnitt 3 - Zollfahndungsdienstgesetz (ZFdG)

Artikel 1 G. v. 30.03.2021 BGBl. I S. 402 (Nr. 13); zuletzt geändert durch Artikel 7 G. v. 19.12.2022 BGBl. I S. 2632
Geltung ab 02.04.2021; FNA: 602-4 Zollverwaltung
| |

Kapitel 3 Befugnisse

Abschnitt 2 Befugnisse der Behörden des Zollfahndungsdienstes bei der Verhütung und Verfolgung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten sowie im Rahmen von Sicherungs- und Schutzmaßnahmen

Unterabschnitt 3 Besondere Maßnahmen zur Gefahrenabwehr

§ 47 Besondere Mittel der Datenerhebung



(1) 1Die Behörden des Zollfahndungsdienstes können personenbezogene Daten mit den besonderen Mitteln nach Absatz 2 erheben über

1.
eine Person, bei der bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie innerhalb eines übersehbaren Zeitraums auf eine zumindest ihrer Art nach konkretisierte Weise eine Straftat von erheblicher Bedeutung im Zuständigkeitsbereich der Zollverwaltung gewerbs-, gewohnheits- oder bandenmäßig begehen wird, oder

2.
eine Person, bei der bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie mit einer Person nach Nummer 1 nicht nur flüchtig oder in zufälligem Kontakt in Verbindung steht und dass

a)
sie von der Vorbereitung von Straftaten im Sinne der Nummer 1 Kenntnis hat,

b)
sie aus der Verwertung der Taten Vorteile ziehen könnte oder

c)
sich die Person nach Nummer 1 ihrer zur Begehung der Straftaten bedienen könnte

und wenn die Verhütung der Straftat auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre. 2Die Erhebung kann auch durchgeführt werden, wenn Dritte unvermeidbar betroffen werden. 3Die Sätze 1 und 2 gelten auch, soweit personenbezogene Daten mittelbar durch die Beobachtung von Warenbewegungen erhoben werden oder erhoben werden könnten.

(2) Besondere Mittel der Datenerhebung sind

1.
die planmäßig angelegte Beobachtung einer Person, die durchgehend länger als 24 Stunden dauern oder an mehr als zwei Tagen stattfinden soll (längerfristige Observation),

2.
der Einsatz technischer Mittel außerhalb von Wohnungen in einer für die betroffene Person nicht erkennbaren Weise

a)
zur Anfertigung von Bildaufnahmen oder -aufzeichnungen von Personen oder Sachen, die sich außerhalb von Wohnungen befinden,

b)
zum Abhören oder Aufzeichnen des außerhalb von Wohnungen nichtöffentlich gesprochenen Wortes,

3.
der Einsatz von Privatpersonen, deren Zusammenarbeit mit den Behörden des Zollfahndungsdienstes Dritten nicht bekannt ist (Vertrauensperson), und

4.
der Einsatz einer Zollfahndungsbeamtin oder eines Zollfahndungsbeamten unter einer ihr oder ihm verliehenen und auf Dauer angelegten Legende (Verdeckter Ermittler).

(3) 1Ein Verdeckter Ermittler darf unter der Legende

1.
zur Erfüllung seines Auftrags am Rechtsverkehr teilnehmen und

2.
mit Einverständnis der berechtigten Person deren Wohnung betreten; das Einverständnis darf nicht durch ein über die Nutzung der Legende hinausgehendes Vortäuschen eines Zutrittsrechts herbeigeführt werden.

2Soweit es für den Aufbau und die Aufrechterhaltung der Legende eines Verdeckten Ermittlers nach Absatz 2 Nummer 4 unerlässlich ist, dürfen entsprechende Urkunden hergestellt, verändert oder gebraucht werden. 3Im Übrigen richten sich die Befugnisse eines Verdeckten Ermittlers nach diesem Abschnitt. 4Für den Einsatz technischer Mittel zur Eigensicherung innerhalb von Wohnungen gilt § 62 entsprechend.

(4) 1Maßnahmen nach Absatz 2 sind im Rahmen der Außenwirtschaftsüberwachung auch zur Vorbereitung der Durchführung von Maßnahmen nach § 72 unter den dort genannten Voraussetzungen zulässig. 2Sie dürfen zugleich neben derartigen Maßnahmen angeordnet werden.


§ 48 Gerichtliche Anordnung



(1) 1Maßnahmen nach

1.
§ 47 Absatz 2 Nummer 1,

2.
§ 47 Absatz 2 Nummer 2 Buchstabe a, bei denen durchgehend länger als 24 Stunden oder an mehr als zwei Tagen Bildaufzeichnungen bestimmter Personen angefertigt werden sollen,

3.
§ 47 Absatz 2 Nummer 2 Buchstabe b oder

4.
§ 47 Absatz 2 Nummer 3 und 4, die sich gegen eine bestimmte Person richten oder bei denen die Vertrauensperson oder der Verdeckte Ermittler eine Wohnung betritt, die nicht allgemein zugänglich ist,

dürfen nur auf begründeten Antrag der Leitung des Zollkriminalamtes oder des jeweils zuständigen Zollfahndungsamtes oder ihrer Vertretung durch das Gericht angeordnet werden. 2Bei Gefahr im Verzug darf die Anordnung einer Maßnahme nach Satz 1 durch die Leitung des Zollkriminalamtes oder des jeweils zuständigen Zollfahndungsamtes oder ihre Vertretung getroffen werden. 3In diesem Fall ist die gerichtliche Entscheidung unverzüglich nachzuholen. 4Soweit die Anordnung nach Satz 2 nicht binnen drei Tagen durch das Gericht bestätigt wird, tritt sie außer Kraft.

(2) Im Antrag sind anzugeben

1.
die Person, gegen die sich die Maßnahme richtet, soweit möglich, mit Name und Anschrift,

2.
Art, Umfang und Dauer der Maßnahme,

3.
der Sachverhalt und

4.
eine Begründung.

(3) 1Die Anordnung ergeht schriftlich. 2In ihr sind anzugeben

1.
die Person, gegen die sich die Maßnahme richtet, soweit möglich, mit Name und Anschrift,

2.
Art, Umfang und Dauer der Maßnahme sowie

3.
die wesentlichen Gründe.

3Die Anordnung ist auf höchstens einen Monat zu befristen; im Falle des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 4 ist die Maßnahme auf höchstens drei Monate zu befristen. 4Die Verlängerung der Maßnahme bedarf einer erneuten Anordnung.


§ 49 Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung



(1) 1Liegen tatsächliche Anhaltspunkte für die Annahme vor, dass durch eine Maßnahme nach § 47 Absatz 2 allein Erkenntnisse aus dem Kernbereich privater Lebensgestaltung erlangt würden, ist die Maßnahme unzulässig. 2Ergeben sich bei Maßnahmen nach § 47 Absatz 2 Nummer 3 oder Nummer 4 während der Durchführung tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass der Kernbereich betroffen ist, ist die Maßnahme zu unterbrechen, sobald dies ohne Gefährdung der beauftragten Person möglich ist. 3Soweit im Rahmen von Maßnahmen nach § 47 Absatz 2 Nummer 1 oder Nummer 2 eine unmittelbare Kenntnisnahme, auch neben einer automatischen Aufzeichnung, erfolgt, ist die Maßnahme unverzüglich zu unterbrechen, soweit sich während der Überwachung tatsächliche Anhaltspunkte dafür ergeben, dass Inhalte, die dem Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechnen sind, erfasst werden. 4Bestehen Zweifel, ob Erkenntnisse dem unmittelbaren Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechnen sind, darf die Maßnahme in den Fällen des § 47 Absatz 2 Nummer 1 und 2 als automatische Aufzeichnung fortgesetzt werden. 5Automatische Aufzeichnungen sind unverzüglich dem anordnenden Gericht zur Entscheidung über die Verwertbarkeit oder Löschung der Daten vorzulegen. 6Das Gericht entscheidet unverzüglich über die Verwertbarkeit oder Löschung der Daten. 7Ist die Maßnahme nach den Sätzen 2 oder 3 unterbrochen worden, so darf sie für den Fall, dass sie nicht nach Satz 1 unzulässig ist, fortgeführt werden. 8Erkenntnisse aus dem Kernbereich privater Lebensgestaltung, die erlangt worden sind, dürfen nicht verwertet werden. 9Aufzeichnungen über diese Erkenntnisse sind unverzüglich zu löschen. 10Die Tatsachen der Erfassung der Daten und deren Löschung sind zu dokumentieren. 11Die Dokumentation darf ausschließlich für Zwecke der Datenschutzkontrolle nach § 84 verarbeitet werden. 12Sie ist sechs Monate nach der Benachrichtigung nach § 93 oder sechs Monate nach Erteilung der gerichtlichen Zustimmung über das endgültige Absehen von der Benachrichtigung nach § 93 Absatz 3 zu löschen. 13Ist die Datenschutzkontrolle noch nicht beendet, ist die Dokumentation bis zu ihrem Abschluss aufzubewahren.

(2) 1Bei Gefahr im Verzug darf die Leitung der für die Maßnahme verantwortlichen Behörde oder deren Stellvertretung im Benehmen mit der oder dem Datenschutzbeauftragten über die Verwertung der Erkenntnisse entscheiden. 2Bei der Sichtung der erhobenen Daten darf sich die Leitung oder deren Stellvertretung der technischen Unterstützung von zwei weiteren Bediensteten bedienen, von denen einer die Befähigung zum Richteramt haben muss. 3Die gerichtliche Entscheidung nach Absatz 1 Satz 5 und 6 ist unverzüglich nachzuholen.

(3) Die Bediensteten des Zollfahndungsdienstes sind zur Verschwiegenheit über die ihnen bekannt werdenden Erkenntnisse, die nicht verwertet werden dürfen, verpflichtet.


§ 50 Gerichtliche Zuständigkeit



(1) 1Für gerichtliche Entscheidungen nach den §§ 48 und 49 ist das Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk die Behörde des Zollfahndungsdienstes ihren Sitz hat. 2Für das Verfahren gelten die Bestimmungen des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit entsprechend.

(2) 1Bei Entscheidungen über die Verwertbarkeit oder Löschung von Daten, die bei Maßnahmen nach § 47 Absatz 2 erhoben worden sind, kann das Gericht sachkundige Bedienstete des Zollfahndungsdienstes zur Berücksichtigung von ermittlungsspezifischem Fachverstand anhören. 2Bei der Sichtung der erhobenen Daten kann sich das Gericht der technischen Unterstützung der Behörden des Zollfahndungsdienstes bedienen.

(3) Die Bediensteten des Zollfahndungsdienstes sind zur Verschwiegenheit über ihnen bekannt werdende Erkenntnisse, deren Löschung das Gericht anordnet, verpflichtet.


§ 51 Löschung



1Personenbezogene Daten, die durch eine Maßnahme nach § 47 Absatz 1 erlangt worden sind, sind unverzüglich zu löschen, soweit sie

1.
für den der Erhebung zugrunde liegenden Zweck nicht erforderlich sind,

2.
nach Maßgabe der Strafprozessordnung zur Verfolgung einer Straftat nicht benötigt werden oder

3.
nicht mehr für eine Benachrichtigung nach § 93 von Bedeutung sind.

2Die Löschung ist zu protokollieren. 3Daten, die nur zum Zwecke einer Benachrichtigung nach § 93 gespeichert bleiben, sind in ihrer Verarbeitung einzuschränken; sie dürfen ohne Einwilligung der Betroffenen nur zu diesem Zweck verarbeitet werden.