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4. - Wehrdisziplinarordnung (WDO)


Zweiter Teil Ahndung von Dienstvergehen durch Disziplinarmaßnahmen

Dritter Abschnitt Das gerichtliche Disziplinarverfahren

4. Allgemeine Vorschriften für das gerichtliche Disziplinarverfahren

§ 82 Verfahren gegen frühere Soldaten



(1) Schwebt gegen einen Soldaten, der in den Ruhestand versetzt wird oder sonst ohne Verlust des Dienstgrades aus seinem Dienstverhältnis ausscheidet, ein gerichtliches Disziplinarverfahren, wird dessen Fortsetzung durch die Beendigung des Dienstverhältnisses nicht berührt.

(2) Ein Ausgleich oder eine Übergangsbeihilfe darf vor rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens nicht gezahlt werden. Auf Antrag des Soldaten kann der Wehrdisziplinaranwalt es für zulässig erklären, dass der Ausgleich oder die Übergangsbeihilfe ganz oder teilweise zu einem früheren Zeitpunkt gezahlt wird. Die Entscheidung des Wehrdisziplinaranwalts ist dem Soldaten zuzustellen. Lehnt der Wehrdisziplinaranwalt den Antrag ab, kann der Soldat innerhalb eines Monats nach Zustellung die Entscheidung des Truppendienstgerichts beantragen. Dieses entscheidet endgültig. Ist das Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht anhängig, treten an die Stelle des Wehrdisziplinaranwalts der Bundeswehrdisziplinaranwalt und an die Stelle des Truppendienstgerichts das Bundesverwaltungsgericht.

(3) Gegen einen früheren Soldaten kann ein gerichtliches Disziplinarverfahren nur wegen eines vor Beendigung des Dienstverhältnisses begangenen Dienstvergehens oder wegen einer Handlung eingeleitet werden, die nach § 23 Abs. 2 des Soldatengesetzes als Dienstvergehen gilt.




§ 83 Aussetzung des gerichtlichen Disziplinarverfahrens



(1) Ist gegen den Soldaten wegen des Sachverhalts, der dem gerichtlichen Disziplinarverfahren zu Grunde liegt, im Strafverfahren die öffentliche Klage erhoben worden, so wird das gerichtliche Disziplinarverfahren zunächst ausgesetzt. Das Verfahren ist fortzusetzen, wenn die Sachaufklärung gesichert ist oder wenn im Strafverfahren aus Gründen nicht verhandelt werden kann, die in der Person oder in dem Verhalten des Soldaten liegen.

(2) Das gerichtliche Disziplinarverfahren ist spätestens nach Abschluss des Verfahrens, das zur Aussetzung geführt hat, fortzusetzen.

(3) Das gerichtliche Disziplinarverfahren kann ausgesetzt werden, wenn in einem anderen gesetzlich geordneten Verfahren über eine Frage zu entscheiden ist, deren Beurteilung für die Entscheidung im gerichtlichen Disziplinarverfahren von wesentlicher Bedeutung ist. Absatz 1 Satz 2 und Absatz 2 gelten entsprechend.

(4) Der Soldat kann gegen eine Aussetzung durch die Einleitungsbehörde die Entscheidung des Truppendienstgerichts beantragen. Dieses entscheidet endgültig.


§ 84 Bindung an tatsächliche Feststellungen anderer Entscheidungen



(1) Die tatsächlichen Feststellungen eines rechtskräftigen Urteils im Strafverfahren oder Bußgeldverfahren, auf denen die Entscheidung beruht, sind im gerichtlichen Disziplinarverfahren, das denselben Sachverhalt zum Gegenstand hat, für die Einleitungsbehörde, den Wehrdisziplinaranwalt und das Wehrdienstgericht bindend. Das Wehrdienstgericht hat jedoch die nochmalige Prüfung solcher Feststellungen zu beschließen, deren Richtigkeit seine Mitglieder mit Stimmenmehrheit, bei einfacher Besetzung der Truppendienstkammer mit der Stimme des Vorsitzenden, bezweifeln. Dies ist in den Urteilsgründen zum Ausdruck zu bringen.

(2) Die in einem anderen gesetzlich geordneten Verfahren getroffenen tatsächlichen Feststellungen sind nicht bindend, können aber der Entscheidung im gerichtlichen Disziplinarverfahren ohne nochmalige Prüfung zu Grunde gelegt werden.


§ 85 Verhandlungsunfähigkeit des Soldaten



(1) Der Einleitung oder Fortsetzung eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens steht nicht entgegen, dass der Soldat verhandlungsunfähig oder durch Abwesenheit an der Wahrnehmung seiner Rechte gehindert ist.

(2) Auf Antrag bestellt das Betreuungsgericht, für minderjährige Soldaten das Familiengericht

1.
im Fall der Verhandlungsunfähigkeit des Soldaten einen Betreuer,

2.
wenn der Soldat durch Abwesenheit an der Wahrnehmung seiner Rechte gehindert ist, einen Pfleger

als gesetzlichen Vertreter zur Wahrnehmung der Rechte des Soldaten in dem Verfahren. Der Betreuer oder Pfleger muss Soldat sein. § 16 Abs. 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes gilt entsprechend.




§ 86 Zeugen und Sachverständige



(1) Die Vereidigung von Zeugen und Sachverständigen ist nur zulässig, wenn sie zur Sicherung des Beweises oder mit Rücksicht auf die Bedeutung der Aussage oder als Mittel zur Herbeiführung einer wahren Aussage erforderlich ist.

(2) Im Wege der Rechtshilfe können außer den Truppendienstgerichten im Inland nur die Amtsgerichte um die eidliche Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen ersucht werden. Ein an das Truppendienstgericht gerichtetes Ersuchen wird durch einen Richter ausgeführt.


§ 87 Unzulässigkeit der Verhaftung



Der Soldat kann im gerichtlichen Disziplinarverfahren nicht verhaftet werden.


§ 88 Gutachten über den psychischen Zustand



Das Truppendienstgericht kann den Soldaten nach Anhörung eines Sachverständigen und des Verteidigers zur Vorbereitung eines Gutachtens über seinen psychischen Zustand in ein öffentliches psychiatrisches Krankenhaus oder in ein Bundeswehrkrankenhaus zur Beobachtung einweisen. Dem Soldaten, der keinen Verteidiger hat, ist ein Verteidiger zu bestellen. Der Aufenthalt in dem öffentlichen psychiatrischen Krankenhaus oder dem Bundeswehrkrankenhaus darf die Dauer von sechs Wochen nicht überschreiten.


§ 89 Ladungen



Soldaten werden zur Hauptverhandlung sowie zu sonstigen Vernehmungen dienstlich gestellt, auch wenn sie Zeugen oder Sachverständige sind. Bei der Bekanntgabe des Termins ist dem Soldaten die Ladung auszuhändigen. Frühere Soldaten und andere Personen werden unmittelbar geladen.


§ 90 Verteidigung



(1) 1Der Soldat kann sich in jeder Lage des Verfahrens des Beistands eines Verteidigers bedienen. 2Der Vorsitzende der Truppendienstkammer bestellt dem Soldaten, der noch keinen Verteidiger gewählt hat, auf Antrag oder von Amts wegen einen Verteidiger, wenn die Mitwirkung eines Verteidigers geboten erscheint. 3Ist der Soldat verhandlungsunfähig, durch Abwesenheit an der Wahrnehmung seiner Rechte gehindert oder minderjährig, ist ihm in jedem Fall ein Verteidiger zu bestellen.

(2) 1Verteidiger vor dem Truppendienstgericht können Rechtsanwälte und andere Personen, welche die Befähigung zum Richteramt nach dem Deutschen Richtergesetz haben, sowie Soldaten sein. 2Als Verteidiger vor dem Bundesverwaltungsgericht sind nur Personen zugelassen, welche die Befähigung zum Richteramt nach dem Deutschen Richtergesetz haben.

(3) Dem Verteidiger steht das Recht, Einsicht in die Akten zu nehmen, in gleichem Umfang zu wie dem Soldaten.




§ 91 Ergänzende Vorschriften



(1) 1Zur Ergänzung der Vorschriften dieses Gesetzes über das gerichtliche Disziplinarverfahren sind die Vorschriften des Gerichtsverfassungsgesetzes, insbesondere über Sitzungspolizei, Gerichtssprache, Beratung und Abstimmung, und die Vorschriften der Strafprozessordnung sowie § 55a der Verwaltungsgerichtsordnung anzuwenden, soweit nicht die Eigenart des gerichtlichen Disziplinarverfahrens entgegensteht. 2An die Stelle der in diesen Gesetzen genannten Fristen von einer Woche tritt jeweils eine Frist von zwei Wochen. 3Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Bundesgerichtshofs die Wehrdienstsenate beim Bundesverwaltungsgericht treten und an die Stelle der Zivilprozessordnung die Verwaltungsgerichtsordnung tritt; auf das Verfahren des Wehrdisziplinaranwalts vor Vorlage der Anschuldigungsschrift beim Truppendienstgericht sind sie jedoch nicht anzuwenden.

(2) Die Wehrdienstgerichte entscheiden mit einfacher Stimmenmehrheit.