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Kapitel 2 - EU-Doppelbesteuerungsabkommen-Streitbeilegungsgesetz (EU-DBA-SBG)


Kapitel 2 Streitbeilegungsbeschwerde

§ 4 Einreichung



(1) Jede betroffene Person ist berechtigt, eine Beschwerde über eine Streitfrage („Streitbeilegungsbeschwerde") bei jeder der zuständigen Behörden der jeweils betroffenen Mitgliedstaaten einzureichen und damit die Lösung der Streitfrage zu beantragen.

(2) Die Streitbeilegungsbeschwerde ist bei allen zuständigen Behörden der betroffenen Mitgliedstaaten gleichzeitig und mit den gleichen Angaben einzureichen.

(3) 1Die Streitbeilegungsbeschwerde ist schriftlich innerhalb von drei Jahren nachdem der betroffenen Person die erste Mitteilung der Maßnahme, die im Ergebnis zu einer Streitfrage geführt hat oder führen wird, bekannt gegeben worden ist, einzureichen. 2Die Einreichung ist unabhängig davon, ob die betroffene Person auf die im nationalen Recht eines der betroffenen Mitgliedstaaten zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfe zurückgreifen kann. 3Die Rechtskraft der Maßnahme, insbesondere eines Steuerbescheids, welche die Streitfrage ausgelöst hat, ist für den Fristlauf nach Satz 1 unerheblich.

(4) 1Durch das Einreichen der Streitbeilegungsbeschwerde wird jedes andere laufende Verfahren nach den Regelungen über Verständigungsverfahren oder Streitbeilegungsverfahren gemäß einem Abkommen oder Übereinkommen der Bundesrepublik Deutschland mit einem oder mehreren Mitgliedstaaten, das im Zusammenhang mit der Streitfrage steht, von Amts wegen beendet. 2Dieses andere laufende Verfahren im Zusammenhang mit der Streitfrage endet mit dem Ablauf des Tages, an dem die Streitbeilegungsbeschwerde bei einer zuständigen Behörde der betroffenen Mitgliedstaaten zuerst eingegangen ist. 3Nach Eingang der Streitbeilegungsbeschwerde ist ein Antrag auf ein Verständigungsverfahren oder Streitbeilegungsverfahren, das im Zusammenhang mit der Streitfrage steht, unzulässig.


§ 5 Inhalt



Die Streitbeilegungsbeschwerde hat zu enthalten:

1.
den Namen, die Anschrift, das Steueridentifikationsmerkmal und jegliche sonstige Angaben, die für die Identifikation der betroffenen Person, welche die Streitbeilegungsbeschwerde bei den zuständigen Behörden eingereicht hat, und für die Identifikation weiterer betroffener Personen erforderlich sind;

2.
die von der Streitbeilegungsbeschwerde betroffenen Mitgliedstaaten;

3.
die von der Streitfrage berührten Besteuerungszeiträume;

4.
genaue Angaben zu den maßgeblichen Tatsachen und Umständen des Falls mit Kopien aller Belege und Nachweisen

a)
einschließlich genauer Angaben zur Struktur der maßgeblichen Transaktionen und zu den Beziehungen zwischen der betroffenen Person und den anderen an den maßgeblichen Transaktionen beteiligten Parteien einschließlich aller Fakten, die in gutem Glauben in einer für beide Seiten verbindlichen Vereinbarung zwischen der betroffenen Person und der Finanzverwaltung festgelegt wurden, soweit vorhanden,

b)
im Einzelnen zur Art und zum Zeitpunkt der Maßnahmen, die im Ergebnis zu einer Streitfrage geführt haben oder führen werden, einschließlich genauer Angaben zu demselben im anderen Mitgliedstaat erzielten Einkommen und zur Einbeziehung dieses Einkommens in das steuerpflichtige Einkommen im anderen Mitgliedstaat sowie genauer Angaben zu Steuern, die auf das Einkommen im anderen Mitgliedstaat erhoben wurden oder noch erhoben werden, und

c)
zu den entsprechenden Beträgen in den Währungen der betroffenen Mitgliedstaaten;

5.
Verweis auf die anzuwendenden nationalen Vorschriften und Abkommen oder Übereinkommen; ist mehr als ein Abkommen oder Übereinkommen anwendbar, ist anzugeben, welches Abkommen oder Übereinkommen in Bezug auf die maßgebliche Streitfrage ausgelegt wird;

6.
eine Stellungnahme, aus der hervorgeht, aus welchen Gründen eine Streitfrage vorliegt;

7.
Angaben zu von der betroffenen Person eingelegten Rechtsbehelfen oder eingeleiteten Gerichtsverfahren im Zusammenhang mit den maßgeblichen Transaktionen sowie zu allen die Streitfrage betreffenden Gerichtsentscheidungen mit Kopien aller Belege;

8.
eine Erklärung der betroffenen Person, in der diese sich verpflichtet, alle angemessenen Anfragen einer zuständigen Behörde der betroffenen Mitgliedstaaten vollständig und umgehend zu beantworten und auf Anfrage den zuständigen Behörden alle angeforderten Unterlagen und Nachweise zu übermitteln;

9.
Kopien der folgenden Unterlagen, soweit vorhanden:

a)
der Entscheidung über die Steuerveranlagung in Form eines Steuerbescheids,

b)
der Steuerprüfungsberichte oder anderer vergleichbarer Unterlagen, die im Ergebnis zu der Streitfrage geführt haben oder führen werden, sowie

c)
Kopien aller sonstigen von den Finanzbehörden erstellten Unterlagen im Zusammenhang mit der Streitfrage;

10.
soweit vorhanden, Angaben zu von der betroffenen Person beantragten Verständigungsverfahren oder Schiedsverfahren über dieselbe Streitfrage und denselben Besteuerungszeitraum mit Kopien aller Belege;

11.
eine Erklärung der betroffenen Person, die Bestimmungen des § 4 Absatz 4 einzuhalten;

12.
alle weiteren Informationen, die für die inhaltliche Prüfung des jeweiligen Falls hinsichtlich der Streitfrage von der betroffenen Person als erforderlich erachtet werden.


§ 6 Eingangsbestätigung



(1) Die zuständige Behörde der Bundesrepublik Deutschland bestätigt gegenüber der betroffenen Person, welche die Streitbeilegungsbeschwerde eingereicht hat, den Eingang der Streitbeilegungsbeschwerde innerhalb von zwei Monaten.

(2) 1Die zuständige Behörde der Bundesrepublik Deutschland unterrichtet die zuständigen Behörden der anderen betroffenen Mitgliedstaaten innerhalb von zwei Monaten über den Eingang einer Streitbeilegungsbeschwerde. 2Dabei teilt sie auch mit, in welcher Sprache oder in welchen Sprachen sie im Rahmen des jeweiligen Verfahrens zu kommunizieren beabsichtigt.


§ 7 Informationsersuchen



(1) Die zuständige Behörde der Bundesrepublik Deutschland kann die betroffene Person, welche die Streitbeilegungsbeschwerde eingereicht hat, innerhalb von drei Monaten nach dem Eingang der Streitbeilegungsbeschwerde um ergänzende Informationen zur inhaltlichen Prüfung der jeweiligen Streitbeilegungsbeschwerde ersuchen.

(2) 1Das Informationsersuchen nach Absatz 1 ist innerhalb von drei Monaten, gerechnet ab dem Tag, der auf den Tag folgt, an dem das Informationsersuchen der betroffenen Person bekannt gegeben worden ist, zu beantworten. 2Die betroffene Person hat eine Kopie ihrer Antwort auf das Informationsersuchen gleichzeitig auch den zuständigen Behörden der anderen betroffenen Mitgliedstaaten zu übermitteln.


§ 8 Entscheidung über die Zulassung oder Zurückweisung der Streitbeilegungsbeschwerde



(1) 1Die zuständige Behörde der Bundesrepublik Deutschland trifft innerhalb von sechs Monaten ab Eingang der Streitbeilegungsbeschwerde eine Entscheidung über ihre Zulassung oder Zurückweisung. 2Hat die zuständige Behörde der Bundesrepublik Deutschland ein Informationsersuchen nach § 7 Absatz 1 gestellt, so beginnt die Frist nach Satz 1 erst an dem Tag zu laufen, der auf den Tag folgt, an dem die Antwort nach § 7 Absatz 2 zugegangen ist. 3Hat die betroffene Person ein Rechtsbehelfsverfahren nach dem nationalen Recht der betroffenen Mitgliedstaaten eingeleitet, so beginnt die Frist nach Satz 1 erst an dem Tag zu laufen, der auf den Tag folgt, an dem

1.
eine in diesem Verfahren ergangene Entscheidung rechtskräftig geworden ist,

2.
dieses Verfahren auf andere Weise endgültig abgeschlossen worden ist oder

3.
dieses Verfahren ausgesetzt oder ruhend gestellt oder das Ruhen des Verfahrens angeordnet worden ist.

(2) Die zuständige Behörde der Bundesrepublik Deutschland unterrichtet die betroffene Person, welche die Streitbeilegungsbeschwerde eingereicht hat, und die zuständigen Behörden der anderen betroffenen Mitgliedstaaten unverzüglich über ihre Entscheidung nach Absatz 1.

(3) 1Die Streitbeilegungsbeschwerde kann zurückgewiesen werden, wenn

1.
bei der Einreichung der Streitbeilegungsbeschwerde die nach § 5 erforderlichen Angaben oder Unterlagen fehlen,

2.
die nach § 7 angeforderten Informationen nicht fristgemäß eingereicht wurden,

3.
keine Streitfrage der betroffenen Person, welche die Streitbeilegungsbeschwerde eingereicht hat, vorliegt oder

4.
die Streitbeilegungsbeschwerde nicht innerhalb der Frist nach § 4 Absatz 3 eingereicht wurde.

2Weist die zuständige Behörde der Bundesrepublik Deutschland die Streitbeilegungsbeschwerde zurück, so hat sie bei der Mitteilung an die betroffene Person nach Absatz 2 auch die Gründe für die Zurückweisung anzugeben.

(4) Hat die zuständige Behörde der Bundesrepublik Deutschland mit Ablauf der in Absatz 1 genannten Frist keine Entscheidung über die Zulassung oder Zurückweisung der Streitbeilegungsbeschwerde getroffen, so gilt die Streitbeilegungsbeschwerde als zugelassen.


§ 9 Rechtsbehelfe gegen die Zurückweisung der Streitbeilegungsbeschwerde



(1) Ist zu dem Zeitpunkt, zu dem der betroffenen Person die ablehnende Entscheidung der anderen betroffenen Mitgliedstaaten zugeht, die Frist für den Einspruch gegen die Zurückweisung durch die zuständige Behörde der Bundesrepublik Deutschland bereits abgelaufen, ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 110 Absatz 1, 2 und 4 der Abgabenordnung zu gewähren; als Wegfall des Hindernisses gilt dabei der Zugang der ablehnenden Entscheidung des anderen betroffenen Mitgliedstaats bei der betroffenen Person.

(2) 1Legt die betroffene Person einen Rechtsbehelf gegen die Zurückweisung der Streitbeilegungsbeschwerde ein, kann ein Antrag nach § 10 Absatz 1 nur dann gestellt werden, wenn die Zurückweisung der Streitbeilegungsbeschwerde durch die zuständige Behörde eines betroffenen Mitgliedstaats rechtskräftig durch eine Zulassung ersetzt wurde. 2Liegen die Voraussetzungen des Satzes 1 vor, ist ein Antrag nach § 10 Absatz 1 dennoch ausgeschlossen, wenn in einem betroffenen Mitgliedstaat die Zurückweisung der Streitbeilegungsbeschwerde durch die zuständige Behörde im nationalen Rechtsweg rechtskräftig bestätigt wurde und der betroffene Mitgliedstaat aufgrund der Rechtskraftwirkung dieser Entscheidung hiervon nicht abweichen darf.


§ 10 Ersetzung der Zulassung durch den Beratenden Ausschuss



(1) 1Wurde die Streitbeilegungsbeschwerde von der zuständigen Behörde mindestens eines betroffenen Mitgliedstaats, jedoch nicht von den zuständigen Behörden aller betroffenen Mitgliedstaaten zurückgewiesen, so kann die betroffene Person, welche die Streitbeilegungsbeschwerde eingereicht hat, einen Antrag auf Einsetzung eines Beratenden Ausschusses stellen, der über die Zulassung der Streitbeilegungsbeschwerde entscheidet. 2Ein solcher Antrag der betroffenen Person ist nur zulässig, wenn

1.
gegen eine Zurückweisung der Streitbeilegungsbeschwerde kein Rechtsbehelf gegeben ist,

2.
gegen eine Zurückweisung der Streitbeilegungsbeschwerde kein Rechtsbehelfsverfahren anhängig ist und

3.
die betroffene Person auf ihr Recht, ein Rechtsbehelf einzulegen, verzichtet hat; der Verzicht ist im Rahmen des Antrags zu erklären.

(2) 1Der Antrag nach Absatz 1 muss schriftlich und innerhalb von 50 Tagen, gerechnet ab dem Tag, der auf den Tag folgt, an dem der betroffenen Person die Mitteilung nach § 8 Absatz 2 bekannt gegeben wurde, gestellt werden. 2In Fällen des § 9 Absatz 2 muss der Antrag abweichend von Satz 1 innerhalb von 50 Tagen gestellt werden, gerechnet ab dem Tag, der auf den Tag folgt, an dem der betroffenen Person die gerichtliche Entscheidung bekannt gegeben wurde, welche die Zurückweisung der Streitbeilegungsbeschwerde durch eine zuständige Behörde der betroffenen Mitgliedstaaten ersetzt. 3Der Antrag ist bei der zuständigen Behörde der Bundesrepublik Deutschland und den zuständigen Behörden der anderen betroffenen Mitgliedstaaten gleichzeitig und mit den gleichen Angaben einzureichen.

(3) 1Wird dem Antrag stattgegeben, so haben die zuständigen Behörden der betroffenen Mitgliedstaaten der Europäischen Union einen Beratenden Ausschuss einzusetzen. 2Der Beratende Ausschuss hat die Entscheidung über die Zulassung der Streitbeilegungsbeschwerde innerhalb von sechs Monaten ab dem Tag seiner Einsetzung zu treffen.

(4) Der Beratende Ausschuss hat seine Entscheidung den zuständigen Behörden der betroffenen Mitgliedstaaten innerhalb von 30 Tagen, nachdem die Entscheidung ergangen ist, mitzuteilen.

(5) 1Hat der Beratende Ausschuss festgestellt, dass die Streitbeilegungsbeschwerde zuzulassen ist, so wird auf Veranlassung einer der zuständigen Behörden der betroffenen Mitgliedstaaten das Verständigungsverfahren nach § 13 eingeleitet. 2Ergeht die Entscheidung des Beratenden Ausschusses entgegen der Zurückweisung der Streitbeilegungsbeschwerde durch die zuständige Behörde der Bundesrepublik Deutschland, so veranlasst diese die Einleitung des Verständigungsverfahrens nach § 13. 3Die zuständige Behörde der Bundesrepublik Deutschland unterrichtet den Beratenden Ausschuss, die zuständigen Behörden der anderen betroffenen Mitgliedstaaten und die betroffene Person, dass ein Verständigungsverfahren veranlasst wurde.


§ 11 Rücknahme der Streitbeilegungsbeschwerde



(1) 1Die betroffene Person, welche die Streitbeilegungsbeschwerde eingereicht hat, kann diese jederzeit zurücknehmen. 2Über die Rücknahme hat sie allen zuständigen Behörden der betroffenen Mitgliedstaaten gleichzeitig eine schriftliche Mitteilung zu übermitteln.

(2) Durch die Rücknahme der Streitbeilegungsbeschwerde werden alle Verfahren in der Bundesrepublik Deutschland gemäß diesem Gesetz mit sofortiger Wirkung von Amts wegen beendet.

(3) Die zuständige Behörde der Bundesrepublik Deutschland unterrichtet die zuständigen Behörden der anderen betroffenen Mitgliedstaaten unverzüglich über die Beendigung der Verfahren.


§ 12 Erledigung der Streitbeilegungsbeschwerde



(1) 1Wird eine Streitfrage in der Bundesrepublik Deutschland aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen gegenstandslos, werden im Hinblick darauf alle Verfahren gemäß diesem Gesetz mit sofortiger Wirkung von Amts wegen beendet. 2Die zuständige Behörde der Bundesrepublik Deutschland unterrichtet die betroffene Person unverzüglich über den aktuellen Sachstand und die Gründe für die Beendigung der Verfahren.

(2) 1Die zuständige Behörde der Bundesrepublik Deutschland kann innerhalb von sechs Monaten ab Eingang der Streitbeilegungsbeschwerde beschließen, die Streitfrage einseitig ohne Einbeziehung der anderen zuständigen Behörden der betroffenen Mitgliedstaaten zu lösen. 2Hat sie ein Informationsersuchen nach § 7 Absatz 1 gestellt, beginnt die Frist nach Satz 1 erst an dem Tag, der auf den Tag folgt, an dem die Antwort nach § 7 Absatz 2 eingegangen ist. 3Im Hinblick darauf werden alle Verfahren gemäß diesem Gesetz mit sofortiger Wirkung von Amts wegen beendet.

(3) Die zuständige Behörde der Bundesrepublik Deutschland unterrichtet die betroffene Person und die zuständigen Behörden der anderen betroffenen Mitgliedstaaten unverzüglich über die Beendigung der Verfahren gemäß diesem Gesetz infolge der einseitigen Erledigung nach Absatz 2.