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Fünfter Abschnitt - Seemannsgesetz (SeemG k.a.Abk.)

G. v. 26.07.1957 BGBl. II S. 713; aufgehoben durch Artikel 7 G. v. 20.04.2013 BGBl. I S. 868
Geltung ab 01.01.1964; FNA: 9513-1 Schiffsbesatzung
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Fünfter Abschnitt Ordnung an Bord

§ 105 Verhalten an Bord



Die Schiffsbesatzung hat vertrauensvoll und unter gegenseitiger Achtung und Rücksichtnahme zusammenzuarbeiten, um den Schiffsbetrieb zu fördern und Ordnung und Sicherheit an Bord zu erhalten.


§ 106 Stellung des Kapitäns


§ 106 wird in 1 Vorschrift zitiert

(1) Der Kapitän ist der Vorgesetzte aller Besatzungsmitglieder (§ 3) und der sonstigen an Bord tätigen Personen (§ 7). Ihm steht die oberste Anordnungsbefugnis zu.

(2) Der Kapitän hat für die Erhaltung der Ordnung und Sicherheit an Bord zu sorgen und ist im Rahmen der nachfolgenden Vorschriften und der sonst geltenden Gesetze berechtigt, die dazu notwendigen Maßnahmen zu treffen.

(3) Droht Menschen oder dem Schiff eine unmittelbare Gefahr, so kann der Kapitän die zur Abwendung der Gefahr gegebenen Anordnungen notfalls mit den erforderlichen Zwangsmitteln durchsetzen; die vorübergehende Festnahme ist zulässig. Die Grundrechte des Artikels 2 Abs. 2 Satz 1 und 2 und des Artikels 13 Abs. 1 und 2 des Grundgesetzes werden insoweit eingeschränkt. Kommt die Anwendung mehrerer Mittel in Frage, so ist tunlichst das Mittel zu wählen, das den Betroffenen am wenigsten beeinträchtigt.

(4) Die Anwendung körperlicher Gewalt oder die vorübergehende Festnahme sind nur zulässig, wenn andere Mittel von vornherein unzulänglich erscheinen oder sich als unzulänglich erwiesen haben. Sie dürfen nur insoweit und so lange angewendet werden, als die Erfüllung der Aufgaben des Kapitäns im Rahmen der Absätze 2 und 3 dies erfordert.

(5) Der Kapitän kann die Ausübung der sich aus den Absätzen 1 bis 4 ergebenden Befugnisse auf den Ersten Offizier des Decks- und den Ersten Offizier des Maschinendienstes innerhalb ihrer Dienstzweige übertragen, wenn er nicht in der Lage ist, sie selbst auszuüben. Jede Ausübung der Befugnisse ist spätestens innerhalb von vierundzwanzig Stunden dem Kapitän mitzuteilen. Die Übertragung soll den Besatzungsmitgliedern bekanntgegeben werden.

(6) Der Kapitän hat Maßnahmen nach den Absätzen 3 und 4 und die Übertragung der Befugnisse nach Absatz 5 unter Darstellung des Sachverhalts in das Schiffstagebuch einzutragen.


§ 107 Stellung der Schiffsoffiziere und der anderen Vorgesetzten



(1) Die Schiffsoffiziere (§ 4) sind die Vorgesetzten aller Schiffsleute (§ 6) und der sonstigen Angestellten (§ 5), soweit diese nicht Leiter von Dienstzweigen sind.

(2) Leiter von Dienstzweigen sind Vorgesetzte aller in ihrem Dienstzweig beschäftigten Besatzungsmitglieder.

(3) Der Kapitän kann innerhalb der einzelnen Dienstzweige auch andere Besatzungsmitglieder als Vorgesetzte bestimmen. Die Bestimmung ist durch Aushang bekanntzumachen.

(4) Der wachhabende Schiffsoffizier des Maschinendienstes, der Funkoffizier und die sonstigen Angestellten, die Leiter von Dienstzweigen sind, haben die Anordnungen des wachhabenden nautischen Schiffsoffiziers, die im Rahmen des Wachdienstes liegen, in ihrem Dienstbereich durchzuführen.


§ 108 Pflichten des Vorgesetzten



(1) Der Kapitän und die anderen Vorgesetzten haben die ihnen unterstellten Personen gerecht und verständnisvoll zu behandeln und Verstößen gegen die Gesetze und die guten Sitten entgegenzutreten. Sie dürfen die Jugendlichen nicht körperlich züchtigen oder mißhandeln und haben sie vor körperlichen Züchtigungen und Mißhandlungen durch andere Besatzungsmitglieder zu schützen sowie darauf zu achten, daß den Jugendlichen auch während der Freizeit gesundheitliche und sittliche Gefahren nach Möglichkeit ferngehalten werden.

(2) Der Kapitän hat dafür zu sorgen, daß die berufliche Fortbildung der Jugendlichen im Rahmen des Schiffsbetriebs gefördert wird.


§ 109 Pflichten der Besatzungsmitglieder



(1) Die Besatzungsmitglieder sind verpflichtet, die Anordnungen der Vorgesetzten zu befolgen; in den Fällen des § 106 Abs. 2 und 3 sind sie zur Beistandsleistung verpflichtet.

(2) Ein Besatzungsmitglied ist nicht verpflichtet, Anordnungen auszuführen, wenn dadurch eine Straftat oder eine Ordnungswidrigkeit begangen würde.


§ 110 Vermißtenanzeige



Wird ein Besatzungsmitglied bei der Abfahrt des Schiffs vermißt, so hat der Kapitän dem Seemannsamt, in dessen Bezirk diese Wahrnehmung zuerst gemacht wird, unverzüglich Anzeige zu erstatten und das Seefahrtbuch des Vermißten zu übermitteln.


§ 111 Anbordbringen von Personen und Gegenständen



(1) Die Besatzungsmitglieder dürfen Personen, die nicht zur Schiffsbesatzung gehören oder nicht im Rahmen des Schiffsbetriebs an Bord tätig sind (§ 7), nicht ohne Erlaubnis an Bord bringen. Die Erlaubnis darf im Hafen nicht verweigert werden, wenn es sich um Familienangehörige des Besatzungsmitglieds handelt und der Schiffsbetrieb nicht gestört wird.

(2) Die Besatzungsmitglieder sind berechtigt, persönliche Bedarfsgegenstände und Verbrauchsgüter in angemessenem Umfang an Bord zu bringen, sofern dadurch nicht gesetzliche Vorschriften verletzt, die Ordnung an Bord beeinträchtigt oder Menschen, Schiff oder Ladung gefährdet werden. Die Mitnahme von anderen Gegenständen, insbesondere von Waffen und Munition, ist nur mit Einwilligung des Kapitäns zulässig. Wird die Einwilligung versagt, so kann sie auf Antrag des Besatzungsmitglieds durch das Seemannsamt ersetzt werden.

(3) Werden Gegenstände entgegen den Vorschriften des Absatzes 2 an Bord gebracht, so kann der Kapitän sie in Verwahrung nehmen oder in anderer Weise sicherstellen. Gefährdet ihr Verbleib die Gesundheit der an Bord befindlichen Personen, das Schiff oder die Ladung oder könnte er das Eingreifen einer Behörde veranlassen, so kann der Kapitän die Beseitigung der Gegenstände verlangen. Kommt das Besatzungsmitglied dem Verlangen nicht nach, so kann der Kapitän die Gegenstände vernichten; in diesem Falle sind die Tatsache und der Grund der Vernichtung in das Schiffstagebuch einzutragen.


§ 112 Beschwerden



(1) Beschwert sich ein Besatzungsmitglied bei dem Kapitän über das Verhalten von Vorgesetzten oder anderen Besatzungsmitgliedern, so hat der Kapitän einen gütlichen Ausgleich zu versuchen und, wenn dies nicht gelingt, über die Beschwerde zu entscheiden. Hilft der Kapitän einer gegen ihn selbst gerichteten Beschwerde nicht ab, so hat er sie an den Reeder weiterzuleiten.

(2) Der Kapitän hat die Beschwerde und seine Entscheidung auf Verlangen eines Beteiligten unter Darstellung des Sachverhalts in das Schiffstagebuch einzutragen. Der Beschwerdeführer kann eine Abschrift der Eintragungen verlangen.


§ 113 Beschwerden bei Seeuntüchtigkeit des Schiffs oder mangelhaften Verpflegungsvorräten



Ein Besatzungsmitglied kann sich bei dem Seemannsamt mündlich zur Niederschrift oder schriftlich darüber beschweren, daß das Schiff nicht seetüchtig ist, seine Sicherheitseinrichtungen nicht in ordnungsmäßigem Zustand oder die Verpflegungsvorräte ungenügend oder verdorben sind. Bevor das Besatzungsmitglied das Seemannsamt anruft, hat es den Kapitän davon in Kenntnis zu setzen. Wenn der Kapitän der Beschwerde nicht abhilft, hat das Seemannsamt unverzüglich, erforderlichenfalls unter Hinzuziehung von Sachverständigen, auf Kosten des Reeders eine Untersuchung des Schiffs oder der Vorräte zu veranlassen und das Ergebnis in das Schiffstagebuch einzutragen. Erweist sich die Beschwerde als begründet, so hat das Seemannsamt für geeignete Abhilfe zu sorgen.