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Kapitel 7 - Vierzehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XIV)

Artikel 1 G. v. 12.12.2019 BGBl. I S. 2652 (Nr. 50); zuletzt geändert durch Artikel 11 G. v. 22.12.2023 BGBl. 2023 I Nr. 408
Geltung ab 01.01.2024, abweichend siehe Artikel 60; FNA: 860-14 Sozialgesetzbuch
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Kapitel 7 Leistungen bei Pflegebedürftigkeit

Abschnitt 1 Anspruch und Pflegebedürftigkeit

§ 71 Anspruch auf Leistungen bei Pflegebedürftigkeit



(1) Geschädigte haben Anspruch auf Leistungen bei Pflegebedürftigkeit, wenn sie auf Grund der anerkannten Schädigungsfolgen pflegebedürftig sind.

(2) Anspruch auf Leistungen bei Pflegebedürftigkeit besteht auch, wenn

1.
Gesundheitsstörungen, die keine Schädigungsfolge sind, im Zusammenwirken mit anerkannten Schädigungsfolgen Pflegebedürftigkeit verursachen und

2.
die Auswirkungen der Schädigungsfolgen für die Beurteilung der Pflegebedürftigkeit den anderen Gesundheitsstörungen annähernd gleichwertig sind.


§ 72 Pflegebedürftigkeit und Pflegegrad



(1) Für den Begriff der Pflegebedürftigkeit, für das Verfahren zur Ermittlung des Pflegegrades und für die Einordnung in die Pflegegrade gilt das Zweite Kapitel des Elften Buches.

(2) 1Liegt eine Entscheidung der Pflegekasse über den Pflegegrad vor, so ist sie für die zuständige Verwaltungsbehörde bindend. 2Liegt eine Entscheidung nicht vor, so wirkt die zuständige Verwaltungsbehörde auf eine unverzügliche Entscheidung der Pflegekasse hin.

(3) 1Kommt ein Anspruch nach dem Elften Buch nicht in Betracht, so ermittelt die zuständige Verwaltungsbehörde den Pflegegrad in eigener Verantwortung. 2Sie kann sich dabei sachverständiger Dritter bedienen.


§ 73 Kostenübernahme vor Pflegebedürftigkeit im Sinne des Elften Buches



1Für Geschädigte, bei denen auf Grund eines schädigenden Ereignisses voraussichtlich nur weniger als sechs Monate eine Einschränkung der Selbständigkeiten oder der Fähigkeiten vorliegt und daher eine Pflegebedürftigkeit im Sinne des Elften Buches nicht gegeben ist, können Kosten im Umfang der Leistungen nach dem Siebten Kapitel des Zwölften Buches übernommen werden. 2Dies gilt nicht, wenn die Pflege durch ein Arbeitgebermodell nach § 76 sichergestellt wird.


Abschnitt 2 Umfang der Leistungen bei Pflegebedürftigkeit

§ 74 Leistungen bei Pflegebedürftigkeit



Geschädigte erhalten bei schädigungsbedingter Pflegebedürftigkeit im Sinne des Abschnitts 1

1.
Leistungen bei Pflegebedürftigkeit entsprechend dem Vierten Kapitel des Elften Buches,

2.
ergänzende Leistungen bei Pflegebedürftigkeit nach § 75,

3.
Leistungen bei Pflegebedürftigkeit im Arbeitgebermodell nach § 76.


§ 75 Ergänzende Leistungen bei Pflegebedürftigkeit



(1) 1Werden schädigungsbedingte Bedarfe nach § 74 Nummer 1 nur teilweise gedeckt, werden die über die Leistungen des Vierten Kapitels des Elften Buches hinausgehenden, notwendigen und angemessenen Kosten übernommen. 2Dies gilt bei folgenden Leistungsarten:

1.
Pflegesachleistung nach § 36 des Elften Buches,

2.
Häusliche Pflege bei Verhinderung der Pflegeperson nach § 39 des Elften Buches,

3.
Pflegehilfsmittel und wohnumfeldverbessernde Maßnahmen nach § 40 des Elften Buches,

4.
Tagespflege und Nachtpflege nach § 41 des Elften Buches,

5.
Kurzzeitpflege nach § 42 des Elften Buches,

6.
Vollstationäre Pflege nach § 43 des Elften Buches.

(2) Bei Kombination von Geldleistung und Sachleistung nach § 38 des Elften Buches wird der prozentuale Anteil übernommen, der auf die Sachleistung entfällt.

(3) Bei Pflege in Einrichtungen oder Räumlichkeiten im Sinne des § 43a des Elften Buches in Verbindung mit § 71 Absatz 4 des Elften Buches werden 15 Prozent der Vergütung übernommen.

(4) Für Geschädigte, die einen Anspruch nach § 4 Absatz 1 haben, trägt die zuständige Verwaltungsbehörde die Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung, so lange sie nach § 21 des Elften Buches pflegeversichert sind.

(5) 1Geschädigte, die weder nach dem Elften Buch versichert sind noch nach beamtenrechtlichen Vorschriften einen Anspruch auf Leistungen bei Pflegebedürftigkeit haben, erhalten die Leistungen des Vierten Kapitels des Elften Buches sowie die Leistungen nach Absatz 1. 2Absatz 2 bis 4 gilt entsprechend.


§ 76 Häusliche Pflege im Arbeitgebermodell



(1) 1Stellen Geschädigte die häusliche Pflege durch von ihnen beschäftigte besondere Pflegekräfte auf Grundlage eines Arbeitsvertrages sicher (Arbeitgebermodell), so werden ihnen die hierfür erforderlichen und angemessenen Kosten erstattet. 2Bei der Erstattung ist das Pflegegeld nach § 37 des Elften Buches anzurechnen. 3Kosten der Beschäftigung von Ehegatten sowie Eltern werden Berechtigten erstattet, wenn dadurch eine fachgerechte Pflege gewährleistet ist.

(2) 1Während einer stationären Behandlung werden den Geschädigten die erforderlichen und angemessenen Kosten für die besondere Pflegekraft für einen Zeitraum von bis zu drei Monaten weiter erstattet. 2Eine Erstattung über diesen Zeitraum hinaus kann unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls erfolgen.

(3) Die angemessenen Kosten umfassen auch die Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung, die auf das Arbeitsentgelt der besonderen Pflegekraft entfallen.

(4) 1Aufwendungen für die Erfüllung der Pflichten der Geschädigten als Arbeitgeber können in angemessener Höhe erstattet werden. 2Als angemessen gilt in der Regel ein Betrag in Höhe von bis zu 35 Euro monatlich.


Abschnitt 3 Zuständigkeit und Erstattung

§ 77 Zuständigkeit



(1) Leistungen bei Pflegebedürftigkeit nach diesem Buch werden von der zuständigen Verwaltungsbehörde nach Maßgabe der folgenden Absätze erbracht.

(2) Für Geschädigte, die Mitglied einer Pflegekasse oder nach § 25 des Elften Buches familienversichert sind, erbringt ihre Pflegekasse für die zuständige Verwaltungsbehörde die Leistungen bei Pflegebedürftigkeit nach § 74 Nummer 1 und § 75 Absatz 1 Satz 2 Nummer 3.

(3) 1Für Geschädigte, die weder nach dem Elften Buch versichert sind noch nach beamtenrechtlichen Vorschriften einen Anspruch auf Leistungen bei Pflegebedürftigkeit haben, erbringt die Pflegekasse, die der Krankenkasse ihrer Wahl gemäß § 57 Absatz 3 entspricht, für die zuständige Verwaltungsbehörde Leistungen bei Pflegebedürftigkeit nach § 74 Nummer 1 und § 75 Absatz 1 Satz 2 Nummer 3. 2§ 57 Absatz 3 gilt entsprechend.

(4) Die übrigen Leistungen nach § 75 und § 76 erbringt die zuständige Verwaltungsbehörde.




§ 78 Widersprüche



Über Widersprüche gegen Verwaltungsakte, die im Rahmen der Leistungserbringung von Pflegekassen nach § 77 Absatz 2 und 3 erlassen werden, entscheidet die für die Verwaltungsbehörde zuständige Widerspruchsbehörde.




§ 79 Datenübermittlung



Für die Erbringer von Leistungen bei Pflegebedürftigkeit gelten die §§ 104 bis 106 des Elften Buches in entsprechender Anwendung, soweit dies für die Erfüllung der Aufgaben der zuständigen Pflegekasse oder der zuständigen Verwaltungsbehörde erforderlich ist.




Abschnitt 4 Erstattungen von Aufwendungen und Verwaltungskosten

§ 80 Erstattung an Pflegekassen



(1) Den Pflegekassen werden von der zuständigen Verwaltungsbehörde halbjährlich die Aufwendungen erstattet, die ihnen nach § 77 Absatz 2 und 3 entstehen.

(2) Den Pflegekassen werden von der zuständigen Verwaltungsbehörde halbjährlich Verwaltungskosten in Höhe von 5 Prozent des Erstattungsbetrages nach Absatz 1 erstattet.

(3) 1Ab dem 1. Januar des dritten auf das Inkrafttreten dieses Gesetzes nach Artikel 60 Absatz 7 des Gesetzes zur Regelung des Sozialen Entschädigungsrechts folgenden Kalenderjahres werden die Erstattungsansprüche der Pflegekassen nach Absatz 1 pauschal abgegolten. 2Ab diesem Zeitpunkt werden den Pflegekassen Verwaltungskosten in Höhe von 5 Prozent des Pauschalbetrages nach Satz 1 erstattet. 3Näheres zur Pauschalabgeltung regelt eine Verwaltungsvereinbarung, die die Bundesstelle für Soziale Entschädigung mit dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen als Spitzenverband Bund der Pflegekassen abschließt. 4Die Verwaltungsvereinbarung kann auch eine vorläufige Regelung treffen. 5Die Vereinbarung bedarf der Zustimmung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, des Bundesministeriums für Gesundheit und der Länder.

(4) 1Können sich die Bundesstelle für Soziale Entschädigung und der Spitzenverband Bund der Pflegekassen bis zu dem in Absatz 3 Satz 1 genannten Zeitpunkt nicht auf eine Verwaltungsvereinbarung einigen, entscheidet eine Schiedsstelle über die Einzelheiten der Pauschalabgeltung. 2Die Entscheidung der Schiedsstelle bedarf der Zustimmung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, des Bundesministeriums für Gesundheit und der Länder. 3Die Schiedsstelle besteht aus einem oder einer unparteiischen Vorsitzenden, zwei weiteren unparteiischen Mitgliedern sowie je zwei Vertretern und Vertreterinnen der Bundesstelle für Soziale Entschädigung und des Spitzenverbandes Bund der Pflegekassen. 4Der oder die Vorsitzende und die unparteiischen Mitglieder werden von der Bundesstelle für Soziale Entschädigung und dem Spitzenverband Bund der Pflegekassen gemeinsam bestellt. 5Können sich die Bundesstelle für Soziale Entschädigung und der Spitzenverband Bund der Pflegekassen nicht auf einzelne oder alle unparteiischen Mitglieder einigen, werden sie vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Gesundheit bestellt.

(5) 1Die Mitglieder der Schiedsstelle führen ihr Amt als Ehrenamt. 2Auslagen werden ihnen in entsprechender Anwendung des Bundesreisekostengesetzes erstattet. 3Die Mitglieder der Schiedsstelle sind an Weisungen nicht gebunden. 4Jedes Mitglied hat eine Stimme. 5Die Entscheidungen werden von der Mehrheit der Mitglieder getroffen. 6Ergibt sich keine Mehrheit, gibt die Stimme des oder der Vorsitzenden den Ausschlag. 7Die Rechtsaufsicht über die Schiedsstelle führt das Bundesministerium für Arbeit und Soziales.

(6) Bis zur Entscheidung der Schiedsstelle gelten die Absätze 1 und 2.


§ 81 (aufgehoben)