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Gesetz über das gesellschaftsrechtliche Spruchverfahren (Spruchverfahrensgesetz - SpruchG)

Artikel 1 G. v. 12.06.2003 BGBl. I S. 838; zuletzt geändert durch Artikel 1 G. v. 11.12.2023 BGBl. 2023 I Nr. 354
Geltung ab 01.09.2003; FNA: 315-23 Freiwillige Gerichtsbarkeit
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§ 1 Anwendungsbereich



Dieses Gesetz ist anzuwenden auf das gerichtliche Verfahren für die Bestimmung

1.
der Ausgleichszahlung oder der zusätzlich zu gewährenden Aktien für Aktionäre bei Kapitalerhöhungen (§ 255 Absatz 4 bis 7 und § 255a des Aktiengesetzes);

2.
des Ausgleichs für außenstehende Aktionäre und der Abfindung solcher Aktionäre bei Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen (§§ 304 und 305 des Aktiengesetzes);

3.
der Abfindung von ausgeschiedenen Aktionären bei der Eingliederung von Aktiengesellschaften (§ 320b des Aktiengesetzes);

4.
der Barabfindung von Minderheitsaktionären, deren Aktien durch Beschluss der Hauptversammlung auf den Hauptaktionär übertragen worden sind (§§ 327a bis 327f des Aktiengesetzes);

5.
der Zuzahlung oder der zusätzlich zu gewährenden Aktien an Anteilsinhaber oder der Barabfindung von Anteilsinhabern (§§ 15, 34, 72a, 125 Absatz 1 Satz 1, §§ 176 bis 181, 184, 186, 196, 212, 305 Absatz 2, §§ 313, 320 Absatz 2, §§ 327 und 340 des Umwandlungsgesetzes);

6.
der Zuzahlung oder der zusätzlich zu gewährenden Aktien an Anteilsinhaber oder der Barabfindung von Anteilsinhabern bei der Gründung oder Sitzverlegung einer SE (§§ 6, 7, 9, 11 und 12 des SE-Ausführungsgesetzes);

7.
der Zuzahlung an Mitglieder bei der Gründung einer Europäischen Genossenschaft (§ 7 des SCE-Ausführungsgesetzes).




§ 2 Zuständigkeit



(1) Zuständig ist das Landgericht, in dessen Bezirk der Rechtsträger, dessen Anteilsinhaber antragsberechtigt sind, seinen Sitz hat oder hatte.

(2) 1Sind nach Absatz 1 mehrere Gerichte zuständig oder sind bei verschiedenen Landgerichten Spruchverfahren anhängig, die in einem sachlichen Zusammenhang stehen, so ist das Gericht zuständig, das zuerst mit der Angelegenheit befasst ist. 2Besteht Streit oder Ungewissheit über das zuständige Gericht nach Satz 1, so ist § 5 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit entsprechend anzuwenden.

(3) Ist bei dem Landgericht eine Kammer für Handelssachen gebildet, so entscheidet diese anstelle der Zivilkammer.

(4) Die Länder können vereinbaren, dass Entscheidungen in Verfahren nach diesem Gesetz für mehrere Länder den Landgerichten eines Landes zugewiesen werden.

(5) 1Der Vorsitzende einer Kammer für Handelssachen entscheidet

1.
über die Abgabe von Verfahren;

2.
im Zusammenhang mit öffentlichen Bekanntmachungen;

3.
über Fragen, welche die Zulässigkeit des Antrags betreffen;

4.
über alle vorbereitenden Maßnahmen für die Beweisaufnahme und in den Fällen des § 7;

5.
in den Fällen des § 6;

6.
über Geschäftswert, Kosten, Gebühren und Auslagen;

7.
über die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung;

8.
über die Verbindung von Verfahren.

2Im Einverständnis der Beteiligten kann der Vorsitzende auch im Übrigen an Stelle der Kammer entscheiden.




§ 3 Antragsberechtigung



1Antragsberechtigt für Verfahren nach § 1 ist in den Fällen

1.
der Nummer 1 jeder Aktionär, dessen Bezugsrecht ganz oder teilweise ausgeschlossen worden ist;

2.
der Nummer 2 jeder außenstehende Aktionär;

3.
der Nummern 3 und 4 jeder ausgeschiedene Aktionär;

4.
der Nummer 5 jeder in den dort angeführten Vorschriften des Umwandlungsgesetzes bezeichnete Anteilsinhaber;

5.
der Nummer 6 jeder in den dort angeführten Vorschriften des SE-Ausführungsgesetzes bezeichnete Anteilsinhaber;

6.
der Nummer 7 jedes in der dort angeführten Vorschrift des SCE-Ausführungsgesetzes bezeichnete Mitglied.

2In den Fällen der Nummern 1, 2, 4, 5 und 6 ist die Antragsberechtigung nur gegeben, wenn der Antragsteller zum Zeitpunkt der Antragstellung Anteilsinhaber ist; dies gilt nicht für die Bestimmung der Barabfindung bei grenzüberschreitenden Umwandlungen (§§ 313, 327 und 340 des Umwandlungsgesetzes) gemäß § 1 Nummer 4. 3Die Stellung als Aktionär ist dem Gericht ausschließlich durch Urkunden nachzuweisen.




§ 4 Antragsfrist und Antragsbegründung



(1) 1Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung in einem Verfahren nach § 1 kann nur binnen drei Monaten seit dem Tag gestellt werden, an dem in den Fällen

1.
der Nummer 1 die Eintragung der Durchführung der Kapitalerhöhung;

2.
der Nummer 2 der Unternehmensvertrag oder seine Änderung;

3.
der Nummer 3 die Eingliederung;

4.
der Nummer 4 der Übergang aller Aktien der Minderheitsaktionäre auf den Hauptaktionär;

5.
der Nummer 5 die Umwandlung;

6.
der Nummer 6 die Gründung oder Sitzverlegung der SE oder

7.
der Nummer 7 die Gründung der Europäischen Genossenschaft

wirksam geworden ist. 2Die Frist wird in den Fällen des § 2 Absatz 2 durch Einreichung bei jedem zunächst zuständigen Gericht gewahrt. 3Die Frist wird auch dann gewahrt, wenn der Antrag bei einem sachlich oder örtlich unzuständigen Gericht eingereicht wird.

(2) 1Der Antragsteller muss den Antrag innerhalb der Frist nach Absatz 1 begründen. 2Die Antragsbegründung hat zu enthalten:

1.
die Bezeichnung des Antragsgegners;

2.
die Darlegung der Antragsberechtigung nach § 3;

3.
Angaben zur Art der Strukturmaßnahme und der vom Gericht zu bestimmenden Kompensation nach § 1;

4.
1Konkrete Einwendungen gegen die Angemessenheit der Kompensation nach § 1 oder gegebenenfalls gegen den als Grundlage für die Kompensation ermittelten Unternehmenswert, soweit hierzu Angaben in den in § 7 Abs. 3 genannten Unterlagen enthalten sind. 2Macht der Antragsteller glaubhaft, dass er im Zeitpunkt der Antragstellung aus Gründen, die er nicht zu vertreten hat, über diese Unterlagen nicht verfügt, so kann auf Antrag die Frist zur Begründung angemessen verlängert werden, wenn er gleichzeitig Abschrifterteilung gemäß § 7 Abs. 3 verlangt.

3Aus der Antragsbegründung soll sich außerdem die Zahl der von dem Antragsteller gehaltenen Anteile ergeben.




§ 5 Antragsgegner



1Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung in einem Verfahren nach § 1 ist in den Fällen

1.
der Nummer 1 gegen die Gesellschaft, deren Kapital erhöht worden ist;

2.
der Nummer 2 gegen den anderen Vertragsteil des Unternehmensvertrags;

3.
der Nummer 3 gegen die Hauptgesellschaft;

4.
der Nummer 4 gegen den Hauptaktionär;

5.
der Nummer 5 gegen die übernehmenden oder neuen Rechtsträger oder gegen den Rechtsträger neuer Rechtsform;

6.
der Nummer 6 gegen die SE, aber im Fall des § 9 des SE-Ausführungsgesetzes gegen die die Gründung anstrebende Gesellschaft;

7.
der Nummer 7 gegen die Europäische Genossenschaft

zu richten. 2In den Fällen des § 1 Nummer 1 ist auf Antrag der Gesellschaft der neue Aktionär als Beteiligter hinzuzuziehen. 3In den Fällen des Satzes 1 Nummer 5 kann bei einer Abspaltung ein Antrag auf Bestimmung der Barabfindung wahlweise auch gegen den übertragenden Rechtsträger gerichtet werden.




§ 5a Vertretung durch einen Rechtsanwalt



1Vor den Landgerichten, den Oberlandesgerichten und einem Obersten Landesgericht müssen sich die Beteiligten durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen. 2Vor dem Bundesgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen bei dem Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt vertreten lassen. 3Satz 1 ist auf den gemeinsamen Vertreter nicht anzuwenden.




§ 6 Gemeinsamer Vertreter



(1) 1Das Gericht hat den Antragsberechtigten, die nicht selbst Antragsteller sind, zur Wahrung ihrer Rechte frühzeitig einen Rechtsanwalt als gemeinsamen Vertreter zu bestellen; dieser hat die Stellung eines gesetzlichen Vertreters. 2Werden die Festsetzung des angemessenen Ausgleichs und die Festsetzung der angemessenen Abfindung beantragt, so hat es für jeden Antrag einen gemeinsamen Vertreter zu bestellen, wenn aufgrund der konkreten Umstände davon auszugehen ist, dass die Wahrung der Rechte aller betroffenen Antragsberechtigten durch einen einzigen gemeinsamen Vertreter nicht sichergestellt ist. 3Die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters kann vollständig unterbleiben, wenn die Wahrung der Rechte der Antragsberechtigten auf andere Weise sichergestellt ist. 4Das Gericht hat die Bestellung des gemeinsamen Vertreters im Bundesanzeiger bekannt zu machen. 5Wenn in den Fällen des § 1 Nr. 1 bis 4 die Satzung der Gesellschaft, deren außenstehende oder ausgeschiedene Aktionäre antragsberechtigt sind, oder in den Fällen des § 1 Nr. 5 der Gesellschaftsvertrag, der Partnerschaftsvertrag, die Satzung oder das Statut des übertragenden, übernehmenden oder formwechselnden Rechtsträgers noch andere Blätter oder elektronische Informationsmedien für die öffentlichen Bekanntmachungen bestimmt hatte, so hat es die Bestellung auch dort bekannt zu machen.

(2) 1Der gemeinsame Vertreter kann von dem Antragsgegner in entsprechender Anwendung des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes den Ersatz seiner Auslagen und eine Vergütung für seine Tätigkeit verlangen; mehrere Antragsgegner haften als Gesamtschuldner. 2Die Auslagen und die Vergütung setzt das Gericht fest. 3Gegenstandswert ist der für die Gerichtsgebühren maßgebliche Geschäftswert. 4Das Gericht kann den Zahlungsverpflichteten auf Verlangen des Vertreters die Leistung von Vorschüssen aufgeben. 5Aus der Festsetzung findet die Zwangsvollstreckung nach der Zivilprozessordnung statt.

(3) 1Der gemeinsame Vertreter kann das Verfahren auch nach Rücknahme eines Antrags fortführen. 2Er steht in diesem Falle einem Antragsteller gleich.




§ 6a Gemeinsamer Vertreter bei Gründung einer SE



1Wird bei der Gründung einer SE durch Verschmelzung oder bei der Gründung einer Holding-SE nach dem Verfahren der Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates vom 8. Oktober 2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE) (ABl. EG Nr. L 294 S. 1) gemäß den Vorschriften des SE-Ausführungsgesetzes ein Antrag auf Bestimmung einer Zuzahlung, zusätzlichen Gewährung von Aktien oder Barabfindung gestellt, bestellt das Gericht auf Antrag eines oder mehrerer Anteilsinhaber einer sich verschmelzenden oder die Gründung einer SE anstrebenden Gesellschaft, die selbst nicht antragsberechtigt sind, zur Wahrung ihrer Interessen einen Rechtsanwalt als gemeinsamen Vertreter, der am Spruchverfahren beteiligt ist. 2§ 6 Abs. 1 Satz 4 und Abs. 2 gilt entsprechend.




§ 6b Gemeinsamer Vertreter bei Gründung einer Europäischen Genossenschaft



1Wird bei der Gründung einer Europäischen Genossenschaft durch Verschmelzung nach dem Verfahren der Verordnung (EG) Nr. 1435/2003 des Rates vom 22. Juli 2003 über das Statut der Europäischen Genossenschaft (SCE) (ABl. EU Nr. L 207 S. 1) nach den Vorschriften des SCE-Ausführungsgesetzes ein Antrag auf Bestimmung einer baren Zuzahlung gestellt, bestellt das Gericht auf Antrag eines oder mehrerer Mitglieder einer sich verschmelzenden Genossenschaft, die selbst nicht antragsberechtigt sind, zur Wahrung ihrer Interessen einen Rechtsanwalt als gemeinsamen Vertreter, der am Spruchverfahren beteiligt ist. 2§ 6 Abs. 1 Satz 4 und Abs. 2 gilt entsprechend.




§ 6c Grenzüberschreitende Umwandlungen



(1) 1Wird bei einer grenzüberschreitenden Umwandlung (§§ 305, 320 und 333 des Umwandlungsgesetzes) ein Antrag auf Bestimmung einer Zuzahlung, zusätzlich zu gewährender Aktien oder einer Barabfindung gestellt, so bestellt das Gericht auf Antrag eines oder mehrerer Anteilsinhaber einer beteiligten Gesellschaft, die selbst nicht antragsberechtigt sind, zur Wahrung ihrer Interessen einen Rechtsanwalt als gemeinsamen Vertreter, der am Spruchverfahren beteiligt ist. 2§ 6 Absatz 1 Satz 4 und Absatz 2 gilt entsprechend.

(2) 1Wird bei einer grenzüberschreitenden Umwandlung ein Antrag auf Bestimmung einer Zuzahlung oder zusätzlich zu gewährender Aktien gestellt, so soll das Gericht mit jeder Stelle, die nach dem Recht eines anderen Mitgliedstaats der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum, dem eine andere an der grenzüberschreitenden Umwandlung beteiligte Gesellschaft unterliegt, und die für einen Antrag auf Bestimmung einer Zuzahlung oder zusätzlich zu gewährender Anteile zuständig ist, zusammenarbeiten. 2Ist anlässlich der grenzüberschreitenden Umwandlung vor der zuständigen ausländischen Behörde oder Stelle ein Verfahren nach Satz 1 eingeleitet worden, so kann das Gericht insbesondere

1.
Informationen austauschen und

2.
nach Maßgabe des § 404 der Zivilprozessordnung dieselbe Person als Sachverständigen bestimmen.