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Abschnitt 1 - Binnenschiffspersonalverordnung (BinSchPersV)

Artikel 1 V. v. 26.11.2021 BGBl. I S. 4982 (Nr. 81); zuletzt geändert durch Artikel 4 V. v. 18.03.2024 BGBl. 2024 I Nr. 100
Geltung ab 07.12.2021; FNA: 9500-1-6 Verwaltung und allgemeine Ordnung der Binnenschifffahrt
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Teil 2 Befähigungen

Kapitel 2 Erwerb von Befähigungszeugnissen

Abschnitt 1 Allgemeine Voraussetzungen für den Erwerb

§ 20 Medizinische Tauglichkeit



1Alle Mitglieder der Besatzung müssen medizinisch tauglich sein. 2Das ist der Fall, wenn sie die Voraussetzungen für die medizinische Tauglichkeit nach der Anlage 4 erfüllen. 3Für die Maschinenkundigen gilt Satz 2 vorbehaltlich der Bestimmungen des § 23.


§ 21 Erstmaliger Nachweis der medizinischen Tauglichkeit



(1) 1Die medizinische Tauglichkeit ist vom Besatzungsmitglied für jede Erteilung eines Befähigungszeugnisses durch den Tauglichkeitsnachweis nach Anlage 5, abweichend hiervon von angehenden Mitgliedern des Maschinenpersonals durch den Tauglichkeitsnachweis nach Anlage 6 nachzuweisen, der nicht älter als drei Monate ist. 2Für eine höhere Befähigung innerhalb von Einstiegs- und Betriebsebene ist die medizinische Tauglichkeit nicht erneut nachzuweisen.

(2) Bestehen Zweifel an der medizinischen Tauglichkeit, kann die zuständige Behörde oder, auf Einstiegs- und Betriebsebene und für das Maschinenpersonal, ein Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt eine Tauglichkeitsuntersuchung durch einen anderen Arzt verlangen, deren Ergebnis vom Besatzungsmitglied durch einen Tauglichkeitsnachweis nach Absatz 1 Satz 1 nachzuweisen ist.

(3) 1Wird in dem Tauglichkeitsnachweis nach Absatz 1 Satz 1

1.
eine dauerhaft eingeschränkte medizinische Tauglichkeit oder

2.
eine vorübergehend eingeschränkte medizinische Tauglichkeit

bescheinigt, so ordnet die ausstellende Behörde Risikominderungsmaßnahmen und Beschränkungen nach Maßgabe der Angaben in dem Tauglichkeitsnachweis durch Eintrag im Befähigungszeugnis an. 2Wird nachträglich ein Tauglichkeitsnachweis nach Absatz 1 Satz 1 vorgelegt, der dem Besatzungsmitglied eine unbeschränkte medizinische Tauglichkeit bescheinigt, hat die ausstellende Behörde die eingetragenen Risikominderungsmaßnahmen und Beschränkungen nach Satz 1 im Befähigungszeugnis ungültig zu machen.

(4) 1Tritt eine Einschränkung der medizinischen Tauglichkeit nach Erteilung des Befähigungszeugnisses ein, so ordnet die ausstellende Behörde Risikominderungsmaßnahmen und Beschränkungen nach Maßgabe der Angaben im Tauglichkeitsnachweis nach Absatz 1 Satz 1 durch Eintrag im Befähigungszeugnis an. 2Hierzu hat der Inhaber oder die Inhaberin der ausstellenden Behörde das Befähigungszeugnis auszuhändigen. 3Wird danach ein Tauglichkeitsnachweis im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 vorgelegt, das dem Besatzungsmitglied eine unbeschränkte medizinische Tauglichkeit bescheinigt, hat die ausstellende Behörde die eingetragenen Risikominderungsmaßnahmen und Beschränkungen nach Satz 1 aus dem Befähigungszeugnis ungültig zu machen.

(5) Dem Nachweis nach Absatz 1 Satz 1 ist gleichgestellt ein Tauglichkeitsnachweis nach Maßgabe der Bestimmungen der Rheinschiffspersonalverordnung, der ausgestellt worden ist von einem Arzt oder einer Ärztin, der oder die hierzu von der zuständigen Behörde eines anderen Mitgliedstaates der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt anerkannt worden ist.




§ 22 Regelmäßiger Nachweis der medizinischen Tauglichkeit



(1) Die medizinische Tauglichkeit ist ab Vollendung des 60. Lebensjahres alle fünf Jahre und ab Vollendung des 70. Lebensjahres alle zwei Jahre durch einen in § 21 Absatz 1 Satz 1 genannten Tauglichkeitsnachweis nachzuweisen, der nicht älter als drei Monate sein darf.

(2) 1Schiffsführer und Schiffsführerinnen haben den Tauglichkeitsnachweis nach § 21 Absatz 1 Satz 1 der ausstellenden Behörde vorzulegen. 2Besatzungsmitglieder auf Einstiegsebene und auf Betriebsebene und das Maschinenpersonal haben den Tauglichkeitsnachweis nach § 21 Absatz 1 Satz 1 einem Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt vorzulegen. 3§ 21 Absatz 2, 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) 1Hat das Besatzungsmitglied Anhaltspunkte dafür, dass seine Tauglichkeit eingeschränkt sein könnte, muss es auch außerhalb der in Absatz 1 genannten Zeiträume seine Tauglichkeit untersuchen lassen. 2Erweist es sich dabei als eingeschränkt tauglich oder untauglich, hat es den Tauglichkeitsnachweis nach § 21 Absatz 1 Satz 1 hierüber unverzüglich der ausstellenden Behörde zu übermitteln.

(4) 1Rechtfertigen Tatsachen die Annahme, dass die medizinische Tauglichkeit eines Besatzungsmitglieds nicht mehr besteht, kann sein Arbeitgeber, der Schiffsführer oder die ausstellende Behörde von ihm die Vorlage eines aktuellen Tauglichkeitsnachweises im Sinne des § 21 Absatz 1 Satz 1 über die entsprechende Tauglichkeit anordnen, was das Besatzungsmitglied bei Vorlage gegenüber dem Arbeitgeber oder dem Schiffsführer gegenüber der Behörde nachzuweisen hat. 2In der behördlichen Anordnung kann vorgegeben werden, dass die Untersuchung auf bestimmte Krankheitsbilder zu erstrecken ist. 3Erweist sich die Annahme als ungerechtfertigt, trägt die anordnende Behörde die Kosten für den Tauglichkeitsnachweis nach § 21 Absatz 1 Satz 1.

(5) Ein Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt ist befugt, die Anordnung nach Absatz 4 zu treffen, auch wenn das Befähigungszeugnis von einem anderen Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt erteilt worden ist.


§ 23 Medizinische Tauglichkeit der Maschinenkundigen



Abweichend von § 20 gelten für die medizinische Tauglichkeit der Maschinenkundigen in Hinblick auf ihr Sehvermögen die Vorgaben für den Dienstzweig „Technischer Dienst" in der Tabelle zu Nummer 2.1 der Anlage 1 der Maritime-Medizin-Verordnung.


§ 24 Zuständigkeit für die Durchführung von Tauglichkeitsuntersuchungen



(1) 1Die Tauglichkeitsuntersuchungen nach den §§ 21 und 22 dürfen vorbehaltlich des § 21 Absatz 5 nur von Ärzten oder Ärztinnen durchgeführt werden, die hierzu von der Berufsgenossenschaft zugelassen worden sind. 2Abweichend von Satz 1 dürfen Tauglichkeitsuntersuchungen zum Erwerb des Kleinschifferzeugnisses auch von Personen durchgeführt werden, die einen Abschluss als Facharzt oder Fachärztin für Arbeitsmedizin besitzen oder eine Zusatz-Weiterbildung Betriebsmedizin abgeschlossen haben.

(2) 1Die Voraussetzungen und das Verfahren für die Zulassung sowie für die Verlängerung der Zulassung bestimmen sich nach Anlage 6a. 2Die Zulassung und die Verlängerung der Zulassung können mit Nebenbestimmungen versehen werden, um den Standard der ärztlichen Untersuchungen und weiterer Maßnahmen sicherzustellen. 3Die Zulassung ist nicht übertragbar.

(3) Die Berufsgenossenschaft hat eine Übersicht über die zugelassenen Ärzte und Ärztinnen elektronisch zu veröffentlichen.




§ 25 Fahrzeit



(1) 1Fahrzeit kann von Mitgliedern der Besatzung erworben werden, wenn sie an Bord eines Fahrzeugs eingesetzt sind, das sich auf Binnenwasserstraßen auf Reisen befindet. 2Als Fahrzeit zählen auch Be- und Entladetätigkeiten, soweit für sie aktiver Schiffsbetrieb erforderlich ist. 3Fahrzeit wird in Tagen berechnet.

(2) Fahrzeit kann auch erwerben, wer nicht Mitglied der Mindestbesatzung ist und ein Schifferdienstbuch mit einem Befähigungszeugnis mindestens auf Einstiegsebene besitzt.

(3) Fahrzeiten können auf folgenden Fahrzeugen erworben werden:

1.
Schiffen mit einer Länge von 20 Metern oder mehr;

2.
Schiffen, deren Produkt aus Länge, Breite und Tiefgang ein Volumen von 100 Kubikmetern oder mehr ergibt;

3.
Schlepp- oder Schubbooten, die ausgelegt sind zum

a)
Schleppen oder Schieben von Schiffen nach den Nummern 1 und 2,

b)
Schleppen oder Schieben von schwimmendem Gerät,

c)
längsseitigen Fortbewegen von Schiffen nach den Nummern 1 und 2 oder von schwimmendem Gerät;

4.
Fahrgastschiffen;

5.
Schiffen, für die ein Zulassungszeugnis nach dem Europäischen Übereinkommen über die internationale Beförderung von gefährlichen Gütern auf Binnenwasserstraßen oder nach der Richtlinie 2008/68/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. September 2008 über die Beförderung gefährlicher Güter im Binnenland (ABl. L 260 vom 30.9.2008, S. 13) verlangt wird;

6.
schwimmendem Gerät mit eigenem Antrieb.

(4) 1Fahrzeiten können auch auf Fähren erworben werden. 2Dabei werden für das Unionspatent nur Fahrzeiten anerkannt, die erworben wurden

1.
auf frei fahrenden Fähren mit einer Länge von 20 Metern oder mehr,

2.
auf Fähren, deren Produkt aus Länge, Breite und Tiefgang ein Volumen von 100 Kubikmetern oder mehr ergibt oder

3.
auf Fähren, die zur Beförderung von mehr als 12 Fahrgästen gebaut und eingerichtet sind.

3Fahrzeiten auf seil- oder kettengebundenen Fähren werden nur für das Fährschifferzeugnis anerkannt.

(5) Auf Behördenfahrzeugen können unabhängig von ihrer Länge Fahrzeiten für Schifferzeugnisse erworben werden, sofern es sich um Fahrzeuge mit umschlossenem Steuerstand handelt.

(6) 1Fahrzeiten auf den in den Absätzen 3 bis 5 genannten Fahrzeugen können auch erworben werden

1.
auf Landeswasserstraßen sowie

2.
auf jenen ausländischen Wasserstraßen, die ganz oder zum Teil auf dem Gebiet der Europäischen Union verlaufen.

2Dies gilt auch dann, wenn die in Satz 1 genannten Wasserstraßen keine schiffbare Verbindung zu einer anderen Wasserstraße aufweisen.

(7) Fahrzeiten können bis zum Ablauf der Übergangsfrist nach § 34 der Binnenschiffsuntersuchungsordnung auch auf einem Sportboot erworben werden, das den Anforderungen des § 34 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 und 2 der Binnenschiffsuntersuchungsordnung genügt.




§ 26 Nachweis der Fahrzeiten



(1) Fahrzeiten werden durch ein den Anforderungen des § 27 Absatz 1 Satz 1 genügendes Schifferdienstbuch nachgewiesen.

(2) 1Für den Erwerb eines Behördenschifferzeugnisses oder hierzu erforderlicher besonderer Berechtigungen kann die Fahrzeit abweichend von Absatz 1 auch durch eine amtliche Urkunde des Wohnsitzstaates oder durch ein amtliches Schreiben insbesondere einer Gebietskörperschaft nachgewiesen werden. 2Die Urkunde oder das Schreiben muss folgende Angaben enthalten:

1.
Art, Größe und Name der Fahrzeuge, auf denen die Person gefahren ist, sowie im Falle der Verwendung des Fahrzeuges zur Personenbeförderung jeweils die Anzahl der Fahrgäste für jede einzelne Fahrt;

2.
Namen der Schiffsführer oder Schiffsführerinnen;

3.
Zeitpunkt des Beginns und des Endes jeder Fahrt;

4.
Art der Beschäftigung;

5.
genaue Bezeichnung der jeweils befahrenen Strecke mit Anfangs- und Endpunkt.

(3) 1Die Fahrzeit kann auch durch ein Befähigungszeugnis für Schiffsführer und Schiffsführerinnen nach § 11 Absatz 1, auch in Verbindung mit den Absätzen 2 und 4, nachgewiesen werden. 2Die Fahrzeit wird dabei in dem Umfang anerkannt, in dem sie für die Erteilung dieses Zeugnisses bereits nachgewiesen worden ist.

(4) Die Fahrzeit auf See, in der Küsten- oder Fischereischifffahrt ist durch eine Dienstbescheinigung nach § 33 des Seearbeitsgesetzes, durch ein Seefahrtsbuch oder durch einen anderen geeigneten Nachweis, der die erforderlichen Informationen entsprechend einer Dienstbescheinigung enthält, nachzuweisen.

(5) 1Die Fahrzeit sowie die Streckenfahrten auf einem Sportboot nach § 25 Absatz 7 können bis zum Ablauf der dort bezeichneten Übergangsfrist auch durch die Arbeitsverträge, Bescheinigungen des Arbeitgebers oder eidesstattliche Versicherung nachgewiesen werden. 2Wird der Nachweis durch Arbeitsverträge oder Bescheinigungen des Arbeitgebers erbracht, müssen diese die folgenden Angaben enthalten:

1.
die Namen der Fahrzeuge, auf denen die Fahrten durchgeführt wurden,

2.
die konkreten Fahrzeiten und

3.
die Art der Beschäftigung.




§ 27 Anerkennung von Fahrzeit



(1) 1Sind für den Erwerb eines Befähigungszeugnisses Fahrzeiten vorgeschrieben, müssen diese von einer der nachfolgend genannten Behörden im Schifferdienstbuch geprüft und mit einem Kontrollvermerk versehen (validiert) worden sein:

1.
von einem Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt,

2.
von der zuständigen Behörde

a)
eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union,

b)
eines anderen Mitgliedstaates der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt oder

c)
eines Staates, der nicht der Europäischen Union angehört und dessen Schifferdienstbuch nach der Richtlinie (EU) 2017/2397 von der Kommission der Europäischen Union anerkannt worden ist.

2Im Falle des § 26 Absatz 2 oder 5 sind die dort genannten Dokumente ausreichend.

(2) 1Das Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt darf nur solche Reisen validieren, die nicht länger als 15 Monate zurückliegen. 2Es darf zur Prüfung der ausgeführten Reisen die Vorlage von Bordbüchern oder von anderen geeigneten Belegen verlangen.




§ 28 Schifferdienstbuch



(1) 1Mitglieder der Mindestbesatzung auf Einstiegsebene und Betriebsebene sowie das Maschinenpersonal benötigen stets ein Schifferdienstbuch nach dem Muster des Anhangs II der Durchführungsverordnung (EU) 2020/182 der Kommission vom 14. Januar 2020 über Muster im Bereich der Berufsqualifikationen in der Binnenschifffahrt (ABl. L 38 vom 11.2.2020, S. 1). 2Statt eines Schifferdienstbuches nach Satz 1 ist ausreichend das Schifferdienstbuch eines Staates, der nicht der Europäischen Union angehört, soweit es nach der Richtlinie (EU) 2017/2397 von der Kommission der Europäischen Union anerkannt worden ist.

(2) 1Mitglieder der Mindestbesatzung auf Führungsebene benötigen ein Schifferdienstbuch nach dem Muster des Anhangs IV der Durchführungsverordnung (EU) 2020/182, wenn sie Fahrzeiten sammeln und nachweisen möchten. 2Absatz 1 Satz 2 gilt entsprechend.

(3) Ein Besatzungsmitglied darf nur im Besitz eines einzigen aktiven Schifferdienstbuches sein, wenn dieses nach dem 17. Januar 2022 ausgegeben wurde.

(4) Das Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt ist zuständig für die Eintragung der persönlichen Angaben zum Besatzungsmitglied und für die Kontrollvermerke zu den durchgeführten Reisen im Schifferdienstbuch.

(5) Wer über ein Schifferdienstbuch verfügen muss, hat dies bei erstmaliger Aufnahme des Dienst-, Arbeits- oder sonstigen Verhältnisses an Bord der Schiffsführung auszuhändigen.

(6) 1Für die Eintragung der Angaben zu den durchgeführten Reisen im Schifferdienstbuch ist die Schiffsführung verantwortlich. 2Hierzu hat sie

1.
vorbehaltlich des Satzes 3 im Schifferdienstbuch regelmäßig alle Eintragungen vorzunehmen,

2.
das Schifferdienstbuch bis zur Beendigung des Dienst-, Arbeits- oder sonstigen Verhältnisses sicher zu verwahren und

3.
das Schifferdienstbuch auf Verlangen den kontrollierenden Behörden oder auf Wunsch dem Inhaber oder der Inhaberin jederzeit und unverzüglich auszuhändigen.

3Satz 2 Nummer 1 gilt nicht, wenn der Inhaber des Schifferdienstbuches Steuermann oder Steuerfrau ist und im Schifferdienstbuch Folgendes vermerkt ist: „beabsichtigt nicht den Erwerb eines Befähigungszeugnisses als Schiffsführer oder Schiffsführerin". 4Der Vermerk muss von dem Inhaber oder der Inhaberin des Schifferdienstbuches unterzeichnet sein.